11.6.2004

7. Internationale Sommerakademie der Akademie der Künste

Die von der Akademie der Künste im Land Brandenburg veranstaltete Internationale Sommerakade-mie findet 2004 erneut im Museumspark Rüdersdorf statt. Im vergangenen Jahr wählte die Akademie schon einmal diesen historisch bemerkenswerten Ort, der zu den bedeutendsten Industriedenkmälern Deutschlands gehört. In der Nähe von Rüdersdorf wird seit über 750 Jahren im Tagebau Kalkstein abgebaut und verarbeitet. Auf dem 17 Hektar großen, stillgelegten Areal des Industriegeländes, dem eigentlichen Museumspark, befindet sich unter anderem die aus dem 19. Jahrhundert stammende Schachtofenbatterie, in deren imposanten Gemäuern am 18. Juni die öffentliche Abschluss-veranstaltung der Sommerakademie stattfinden wird. Kunst im Spannungsfeld der Rüdersdorfer Kalksteinbrüche als eindrucksvolle Naturkulisse inspiriert schon lange Dichter, Maler und Bildhauer. Hier entstanden Monumentalfilme der frühen Stummfilmzeit, wie u.a. Der Tiger von Eschnapur und Das indische Grabmal. Die Konvergenz aus Geschichte, Natur und Gegenwärtigem machen den Standort zu einer Folie künstlerischen Denkens und Handelns.

Die internationale und interdisziplinäre Sommerakademie ist eine in ihrer Struktur und ihren kreativen Möglichkeiten selten gebotene Chance zum künstlerischen Austausch über die traditionellen Kunstsparten hinaus. Hinzu kommt die tatkräftige Unterstützung durch die Mitarbeiter des Museumsparks und des Elektroakustischen Studios der Akademie der Künste. Die Museumsleitung hat großzügig die kostenlose Nutzung des renovierten Steigerhauses als Studio und Werkstatt-komplex zur Verfügung gestellt.

Dem Konzept der Internationalen Sommerakademie entsprechend, wurden von Mitgliedern der vier Abteilungen Bildende Kunst, Musik, Literatur sowie Film- und Medienkunst zehn junge Künstlerinnen und Künstler für das Projekt ausgewählt.

Die Abteilung Bildende Kunst hat die Objektkünstlerin Cécile Dupaquier (Frankreich), die Malerin, Objekt-und Installationskünstlerin Ping Qiu (China) und die Bildende Künstlerin Suse Weber (Deutschland) eingeladen.
Cécile Dupaquiers Arbeiten charakterisieren sich über Bewegung. Sie bewegt sich selbst im Raum, ihre Skulpturen sind beweglich, wie z.B. die kürzlich in der Ausstellung Werkstatt Junge Akademie gezeigte Autonomous storage battery (2004) oder transportiert Objekte, wie Accumulations no. 1 to 44 (2003) auf dem Rücken, während Ping Qius Arbeiten, auf den ersten Blick von introspektiver Stille leben, die nicht wirklich konstant ist. Sie wird immer wieder gebrochen. Der Betrachter wird aus der nur scheinbar kontemplativen Ruhe gerissen und muss über die drastischen Pole des Lebens nachdenken – Leben und Sterben. Vergänglichkeit ist das Thema. Sie wird in ihren Arbeiten ebenso sublimiert wie offen gezeigt. Suse Weber ist Stipendiatin der Akademie der Künste. Ihre skulpturalen Arrangements provozieren ritualisierte Sehgewohnheiten. Details, die aus ihrem realen Kontext gerissen werden, um mit anderen Fragmenten eine surreale Synthese einzugehen. Deshalb erzeugt sie in ihren Werken eine ikonographische Spannung, die Reales zugleich widerspiegelt und kritisiert.

Die Abteilung Musik hat drei junge Komponisten ausgewählt, Gordon Kampe (Deutschland), Stipendiat der Akademie der Künste, Daniel Smutny (Deutschland) und Sun-Young Pahg (Korea), die während der Abschlussveranstaltung Kompositionen in der Schachtofenbatterie präsentieren.
Gordon Kampe komponiert avantgardistische Stücke für Orchester, die er mit mikrotheatralischen Elementen – Klängen von Kuhglocken, Kindertrompeten, Wasserkochern, Alufolie etc. – anreichert. Außerdem wird das Instrumentarium manchmal durch Nutzung von elektronischen Geräten, z.B. ein besonders schlecht klingender Kassettenrekorder, erweitert. Kampe will keine gereinigten Klänge. Seine Kompositionen sind spannend, humorvoll, bedrohlich und programmatisch vollkommen durchdacht.

Daniel Smutnys Werk ist geprägt von Instrumentalmusik und elektronischer Musik. Live-Instrumente erfahren ein hybrides Zuspiel von Geräuschen. Smutny benutzt das elektronische Medium, mit dem er subtile Situationen von Authentizität erzeugt. Die Instrumentenklänge sind real, aber sie werden einzeln von einer Datenbank zusammengestellt und mit anderen Komponenten unterlegt. Smutny arbeitet lieber intuitiv, das Konzept stellt nur ein gedankliches Gerüst dar. Seine Klänge sind melancholisch, widerspenstig und philosophisch zugleich. Raum und Zeit sind Dimensionen, die sich in Smutnys Kompositionen wiederfinden. Sun-Young Pahg studierte Komposition an der Nationalen Universität Seoul. Dann spezialisierte sie sich auf Elektroakustische Komposition und beendete ihr Studium an der Hochschule für Musik Franz Liszt, Weimar. Auch ihre Kompositionen sind für traditionelle Instrumente geschrieben, die mit elektronischen Klängen verfremdet werden. So bricht beispielsweise Vom Fließenden sublimiert für Cello, Tonband und Live-Elektronik (2001) die Formen des Instruments auf. Der eigentliche Celloklang scheint nur noch aphoristisch durch, wie ein Übersprengsel aus einer längst vergangenen Welt.

Die Abteilung Literatur entschied sich für Rozalie Hirs, eine niederländische Komponistin und Lyrikerin. Sie überzeugte durch die Veröffentlichung von zwei auffallenden Gedichtbänden Logos und Locus und wurde daraufhin von Cees Nooteboom als Stipendiatin der Akademie der Künste vorgeschlagen.

Die Abteilung Film- und Medienkunst hat Ayelet Bargur (Israel), Paul Leyton (England) und Amélie Losier (Frankreich) zur Sommerakademie eingeladen.
Die Dokumentarfilmerin Ayelet Bargur setzt sich intensiv mit jüdischer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinander. Sowohl ihre dramatischen wie ihre dokumentarischen Projekte zeichnen sich durch eine genaue Beobachtung der Wechselwirkungen zwischen gesellschaftlicher Realität, zwischenmenschlichem Verhalten und individuellem Bewusstsein aus. Bargurs Kurzfilm A Good Place To Be und das Fernsehspiel As If Nothing Happened sind international mehrfach preisgekrönt worden. Paul Leyton, ein Experimentalfilmer, arbeitet zur Zeit an dem Projekt You`re 10 Years Old, eine cartoonartige Serie basierend auf den selbst erfundenen Figuren Fritz und Fred. Der Film entwickelt sich spontan aus dem Arbeitsprozess heraus, denn Leyton hat keine in sich geschlossene Dramaturgie zugrunde gelegt. Kürzlich wurde sein Kurzfilm Fucked erfolgreich in 3sat gezeigt. Das Sujet der Fotografin Amélie Losier ist die Alltagswelt, so auch in Rüdersdorf. Sie unternimmt eine fotografische Reise in die Vergangenheit und Gegenwart des Ortes. "Die Alltagswelt, die wir zu kennen glauben, bekommt bei Losier den magischen Glanz des genau richtigen Moments. Losier besitzt eine besondere Intuition für Licht, das sie im Alltag vorfindet." (Rozalie Hirs, April 2004). Amélie Losier ist Stipendiatin der Akademie de Künste.


7. Internationale Sommerakademie Rüdersdorf
6. bis 20. Juni 2004
Abschlussveranstaltung: Freitag, 18. Juni, 15.00 Uhr

Projektleitung: Inge Zimmermann, Tel. 39076-166
Ansprechpartnerin vor Ort: Sabine Conrad, Tel. (03 36 38) 774-63

Museumspark Rüdersdorf
Schachtofenbatterie
Heinitzstraße 11
15562 Rüdersdorf
Tel. (03 36 38) 774-60/- 66

Öffentliche Verkehrsmittel:
S 3 bis Friedrichshagen, Straßenbahn 88 bis zur Station "Rüdersdorf Heinitzstr."

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