6.5.2011
Europa muss aus seiner Zuschauerrolle heraustreten
Die begonnene Jasmin-Revolution in Tunesien hat in vielen weiteren Ländern einen demokratischen Aufbruch eingeleitet. Deshalb stellte die Akademie der Künste in ihrer heutigen Mitgliederversammlung die tunesische Revolution und die Veränderungen in der arabischen Welt mit ihren Auswirkungen auf Europa ins Zentrum ihrer Diskussion.
Die von Akademiepräsident Klaus Staeck nach Berlin eingeladenen tunesischen Blogger und politischen Aktivisten Lina Ben Mhenni und Yassine Ayari, die sich mit großem persönlichen Risiko für politische und soziale Veränderungen in ihrem Land eingesetzt haben, beschrieben die kritische Situation für den Aufbau einer neuen politischen Ordnung in der noch unvollendeten Revolution.
Sie berichteten von fortgesetzten polizeilichen Übergriffen gegen jugendliche Demonstranten und beschworen die Gefahr, dass die alten Kräfte in der Gesellschaft erneut die entscheidenden Positionen besetzen könnten. Deshalb müsse in den europäischen Medien kontinuierlich über die Polizeiwillkür, das noch nicht aufgedeckte Spitzelsystem und das Beharrungsbestreben der früheren Machthaber berichtet werden.
Mit Nachdruck appellieren sie an die deutsche Gesellschaft, nur mit den demokratisch legitimierten neuen Verantwortlichen in der Politik zusammenzuarbeiten.
Sie zeigten sich irritiert, dass die EU über 20.000 Flüchtlinge lamentiert, während Tunesien Hunderttausende bereits aufgenommen hat.
Nach 1981 habe es in Tunesien keine Demokratie mehr gegeben. Deshalb sei die Vorbereitung demokratischer Wahlen die wichtigste Aufgabe in diesem noch gefährdeten revolutionären Prozess.
Dringend notwendig sei ein enger Austausch zwischen Europa und den neuen Bewegungen in der arabischen Welt. Dabei kommen auch Kunst und Kultur eine wichtige Rolle zu.
Die Akademie ruft zu einem breiten gesellschaftlichen Konsens auf, sich verstärkt den aktuellen Entwicklungen in der arabischen Welt zu stellen und die neu entstandenen Demokratiebewegungen in vielfältiger Weise zu unterstützen. So plant die Akademie den Austausch mit tunesischen Künstlern.
Auch Deutschland muss aus seiner Zuschauerrolle heraustreten und die Demokratiebewegungen in gegenseitigem Respekt fördern.
Akademie der Künste
Berlin, den 6. Mai 2011