25.7.2023
Akademie der Künste erschließt das Archiv des Lektors und Herausgebers Leonhard Kossuth
Leonhard Kossuth, der am 25. Juli vor 100 Jahren in Butscha bei Kyiv geboren wurde, gehörte in der DDR zu den wichtigsten Vermittlern der Literaturen der Sowjetunion. Von 1959 bis 1989 führte er in den Verlagen Kultur und Fortschritt sowie Volk und Welt das Lektorat „Sowjetliteratur“.
Leonhard Kossuth hat sein substantielles Archiv noch selbst der Akademie der Künste übereignet. Es umfasst neben Fotos und biografischen Dokumenten vor allem Titelmappen seiner herausgegebenen und geschriebenen Bücher sowie eine umfangreiche Korrespondenz mit Autor*innen, Editor*innen und Literaturwissenschaftler*innen, darunter Lilja Brik, Wassil Bykau, Adolf Endler, Elke Erb, Konstantin Fedin, Lew Ginsburg, Stefan Heym, Grigori Kanowitsch, Sarah Kirsch, Lew Kopelew, Äbdischämil Nurpeissow, Boris Polewoi, Jurij Rytchëu, Jurij Tendrjakow, Otar Tschiladse sowie Fred und Maxie Wander.
Kossuth beschränkte sich nicht auf die Werke russischer Autoren, sondern bemühte sich gleichermaßen um andere Nationalliteraturen des Vielvölkerstaates wie die armenische, georgische, kirgisische und ukrainische. Mit vielen Autoren wie Tschingis Aitmatow, Daniil Granin, Oles Hontschar, Jewgeni Jewtuschenko, Icchokas Meras, Bulat Okudshawa und Mykolas Sluckis stand er im Arbeitskontakt. Die Klassiker der frühen Sowjetunion von Isaak Babel und Alexander Block bis zu Ilja Ehrenburg und Ossip Mandelstam wurden dem DDR-Publikum durch Kossuths editorische Transmissionsarbeit bekannt; manche Übersetzung aus seinem Haus fand über Lizenzausgaben bundesdeutscher Verlage ihren Weg auch zu den Leserinnen und Lesern im Westen. Als Herausgeber machte er sich besonders um das Werk von Sergej Jessenin und Wladimir Majakowski sowie des kasachischen Nationaldichters Abai verdient.
Leonhard Kossuth kam als Sohn einer Ukrainerin und eines Österreichers zur Welt. In Wien ging er zur Schule und begann mit einem Ingenieursstudium, musste dann aber Soldat werden und in Wehrmachtsuniform in die Heimat seiner Mutter zurückkehren. Aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, studierte er in Berlin und Halle (Saale) Slawistik, lernte seine spätere Frau kennen, die bedeutende Übersetzerin Charlotte Kossuth. Nach einigen Berufsjahren an der Universität Halle und am Literaturinstitut Leipzig wechselte er in das Verlagswesen, wo er die Stellung seines Lebens fand, obwohl seine Frau 1956 in die Fänge der Staatssicherheit geraten und wegen „Staatsverrats“ zu 20 Monaten Haft verurteilt worden war. Im hohen Alter lebte Kossuth in der Berliner Cajewitz-Stiftung, wo er bis zuletzt eine rege Korrespondenz mit Schriftsteller*innen und Literaturwissenschaftler*innen in Moskau und Kyiv, Alma Ata und Bischkek führte und Besuch von Autoren und diplomatischen Vertretern verschiedener Nachfolgestaaten der Sowjetunion empfing. In seinem letzten Lebensmonat nahm er noch den Einmarsch der russischen Truppen in der Ukraine wahr; von den Kriegsverbrechen, die heute mit seinem Geburtsort verbunden sind, hat er nichts mehr erfahren. Leonhard Kossuth starb am 1. März 2022 in Berlin.
Das Leonhard-Kossuth-Archiv wird sukzessive erschlossen und dank Kossuths großzügiger finanzieller Zuwendung der Forschung und interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Es steht inhaltlich in enger Verbindung mit dem Verlagsarchiv von Volk und Welt, das ebenfalls im Akademie-Archiv aufbewahrt wird.
Für Rückfragen zum Leonhard-Kossuth-Archiv:
Sabine Wolf, Stellvertretende Direktorin des Archivs, Tel. 030 200 57-3272, swolf@adk.de
Dr. Carsten Wurm, Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Tel. 030 200 57-3235, wurm@adk.de