31.5.2024
Akademie der Künste trauert um Thomas Heise (1955–2024)
Der Autor und Regisseur für Theater, Hörspiel und Film Thomas Heise verstarb am 29. Mai 2024 in Berlin, seiner Geburtsstadt. Er war seit 2001 Mitglied der Akademie der Künste und seit 2018 Direktor der Sektion Film- und Medienkunst. Von Anbeginn war sein Lebensweg von Ab-und Umbrüchen geprägt. 1975 begann er als Regieassistent im DEFA-Spielfilmstudio, nachdem er sein Abitur auf der Abendschule nachgeholt hatte. Er fand immer wieder Wege jenseits offizieller Strukturen, um künstlerisch zu arbeiten. So drehte er für das Archiv die Filmdokumentationen Das Haus (1984) und Volkspolizei (1985), fand im Rundfunk und am Berliner Ensemble neue Arbeitsmöglichkeiten, unter anderem mit Heiner Müller und Fritz Marquardt. In der Akademie der Künste der DDR wurde er auf Empfehlung Heiner Müllers Meisterschüler bei Gerhard Scheumann. Ab 1992 realisierte er rund 15 Dokumentarfilme, die geprägt sind von ästhetisch radikalen Ansätzen und der tabulosen Beschäftigung mit gesellschaftlichen Widersprüchen, so in Stau – Jetzt geht’s los (1992) über junge Neonazis oder Material (1988-2009), einem Geschichtspanorama über die Umbruchszeit. Zuletzt erfuhr er internationalen Erfolg mit dem Film Heimat ist ein Raum aus Zeit über seine Familie, erzählt in einem großen Bogen über vier Generationen von der Kaiserzeit, den jüdisch-österreichischen Wurzeln und die DDR bis in die Neuzeit. Kurz vor seinem Tod hat Thomas Heise die Akademie der Künste gebeten, seinen künstlerischen Nachlass zu betreuen.
Helke Misselwitz, stellvertretende Direktorin der Sektion Film- und Medienkunst, würdigt Thomas Heise: „Als Thomas in seine Wohnung in der Schönhauser Allee Ende der 90er einzog, befreite er sie von den Tapeten, die Mieter über 120 Jahre auf den Putz geklebt hatten. Er befreite die Wände von den Schichtungen. Mit der Akribie eines Archäologen nahm er ihnen die Verkleidung. Er fand Farben und Bilder in Grün und Blau gemalt, in denen er leben und sterben konnte. Das war seine Arbeit: den Dingen auf den Grund gehen, Biografien von Menschen ihre Würde zurückgeben, in all ihrer Widersprüchlichkeit, Zeugnis ablegen von Prozessen, die ständig mit Ideologien propagandistisch verkleistert werden. In seiner gedanklichen Klarheit blieb der Regisseur Thomas Heise unbeirrbar. Als Direktor der Sektion Film- und Medienkunst forderte er Transparenz und Emanzipation vom Staat. Er lebte demokratische Prinzipien und störte permanent, in der DDR als auch in der Bundesrepublik. Unmöglich den Verlust in wenigen Sätzen zu beschreiben. Er fehlt.“
Die Akademie der Künste trauert um ihr Mitglied.
Manos Tsangaris
Präsident der Akademie der Künste