Manoel de Oliveira Das Lebenswerk des Filmregisseurs
Im Rahmen seines Staatsbesuches eröffnete der Präsident der Portugiesischen Republik, Prof. Dr. Aníbal Cavaco Silva, die Ausstellung über den Regisseur Manoel de Oliveira in Anwesenheit des Künstlers.
Anlässlich des 100. Geburtstags des legendären Filmemachers war die Dokumentation seines Schaffens im vergangenen November erstmals im Museum Serralves für zeitgenössische Kunst in Porto (Portugal) zu sehen. „Das Werk von Manoel de Oliveira öffnet uns den Weg durch die Geschichte des portugiesischen Films, die sich in einzigartiger Weise mit der Lebensgeschichte des Regisseurs kreuzt“, erklärt Staatspräsident Cavaco Silva. „Berlin ist der ideale Ort, diese Ausstellung außerhalb Portugals zu zeigen. Deshalb möchte ich dies als einen der Höhepunkte meines Besuches in der Bundesrepublik Deutschland bezeichnen.“
Eröffnung der Ausstellung zum Lebenswerk des Filmregisseurs Manoel de Oliveira (2.v.r.) mit dem portugiesischen Staatspräsidenten Aníbal Cavaco Silva und seiner Gattin Maria Alves da Silva, Klaus Staeck, Ulrich und Erika Gregor.
Im Februar feierte der neueste Film Singularidades de uma rapariga loura (Die Eigenheiten einer jungen Blondine) von Manoel de Oliveira bei den 53. Internationalen Filmfestspielen Berlin seine Uraufführung. Für sein beeindruckendes Lebenswerk erhielt der älteste noch aktive Filmregisseur der Welt die Berlinale Kamera.
Die über siebzigjährige Karriere des Meisters des Autorenkinos begann schon zu Zeiten des Stummfilms, ausschließlich widmete er sich dieser Aufgabe aber erst Anfang der 70er Jahre, als er unter anderem mit Schauspiel-Größen wie Marcello Mastroianni, Catherine Deneuve und Michel Piccoli drehte. Seine Werke wie O Passado e o Presente (Vergangenheit und Gegenwart, 1972) oder O Convento (Das Kloster, 1995) schrieben Filmgeschichte und wurden mehrfach ausgezeichnet. Manoel de Oliveira ist es gelungen, das Kino neu zu erfinden und eine ganz eigene cinematografische Sprache zu entwickeln. Hier spiegelt sich auch sein außergewöhnlicher persönlicher Werdegang wieder: vom Spitzensportler zum Rennfahrer und Trapezkünstler bis hin zum Winzer und Industriemanager – der Ausnahmeregisseur hat sein Leben stets als eine unerschöpfliche Quelle an Erfahrungen begriffen. Er ist eine Persönlichkeit, deren Vitalität jeden verblüffen muss, der ihm begegnet.
In der Ausstellung, die von João Fernandes, Direktor des Serralves Museums und João Bénard da Costa, Präsident der Cinemathek Portugals kuratiert wird und ab 3. März in der Akademie der Künste, Berlin zu sehen ist, ermöglichen es Ausschnitte aus fünfzig Filmen, die elementaren Themen seines Werkes zu begreifen: Das Spannungsfeld zwischen Dokumentarfilm und Fiktion wird in Die Sinfonie einer Großstadt von Walter Ruttmann (1927) und Der Mann mit der Kamera von Dziga Vertov (1929) gezeigt, die beide von Oliveira als wichtige Referenzen für seine erste Filmarbeit Douro, Faina Fluvial (Harte Arbeit am Fluss Douro, 1931) herangezogen wurden. Im Vergleich finden sich kuriose Übereinstimmungen bei allen drei Filmen: die schnelle und zeitversetzte Montage von Einstellungen und Szenen; die Wiedergabe der Hektik; die Vergegenwärtigung menschlicher Arbeit und des Lebens in der Großstadt. Der Stummfilm über den nordportugiesischen Fluss Douro läuft als einziger Beitrag von de Oliveira in voller Länge in der Ausstellung.
Die Verbindung von Kino und Malerei ist in O Pintor e a cidade (Der Maler und die Stadt) (de Oliveiras erster Farbfilm) zu sehen. Hier beginnt de Oliveira mit der Dauer der Einstellungen so zu experimentieren, dass diese mit der Echtzeit übereinstimmen.
Immer wieder hat der Regisseur die Konsequenzen der Zensur und den Mangel an Ausdrucksfreiheit erfahren und musste von einigen Filmen aufgrund des zeitweise repressiven Regimes in Portugal absehen. In seinem Kino lassen sich Spuren dieser Freiheitsbeschneidung in Form eines politischen und sozialen Kommentars finden: die Präsenz der Figur des Polizisten in seinen ersten Filmen erscheint wie eine Allegorie für Einschüchterung und Angst. In A Caça (Die Jagd, 1963) wurde er sogar gezwungen, das Ende des Films zu ändern, damit die öffentliche Aufführung zugelassen wurde.
Andere künstlerische Ausdrucksformen wie Theater und Literatur kann man bereits in früheren Werken erkennen, wie in der Szene in Acto da Primavera (Der Leidensweg Jesu in Curalha), in der die Dreharbeiten zum Film selbst dargestellt werden. In Benilde ou a Virgem Mãe (Benilde, Jungfrau und Mutter, 1975) beginnt der Film hinter den Kulissen des Studios, in dem die Szenen gedreht werden.
Eine der vielleicht größten Singularitäten des Werkes Oliveiras besteht in der Autonomie von Wort, Bild, Ton und Musik, die das filmische Verhältnis zwischen Zeit und Bewegung bestimmt, wie am Beispiel von Amor de Perdição (Das Verhängnis der Liebe, 1978) gut zu erkennen ist. Wie Luís Miguel Cintra einen Text von Samuel Beckett in O meu Caso (Mein Fall, 1986) vorliest, ist wohl eines der besten Beispiele dieser Autonomie des Wortes, die in Oliveiras Filmen eine einzigartige Beziehung zwischen Bild und Text schafft.
Zwischenmenschliche Beziehungen, insbesondere von Frauen und Männern zeigen sich bei Oliveira stets durch gesellschaftliche Konventionen bedingt.
Und immer ist die Geschichte und die kulturelle Identität seines Heimatlandes Portugal wiederkehrendes Thema, besonders in Filmen wie A Propósito da Bandeira Nacional (Die Nationalflagge, 1987), Non, ou a vã Glória de mandar (Non oder Der vergängliche Ruhm der Herrschaft, 1990) oder Palavra e Utopia (Wort und Utopie, 2000).
Eine die Ausstellung begleitende Publikation wurde für die Berliner Ausstellungsetappe ins Deutsche übersetzt und bietet mit Beiträgen von Fachleuten aus den Bereichen Film, Theater und Literatur ein einzigartiges theoretisches Werkzeug, sich das Werk Oliveiras zu erschließen.
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