27. Akademie-Gespräch: Gerechtigkeit für Mumia Abu-Jamal

Akademie-Gespräche

Der afroamerikanische Journalist und Schriftsteller Mumia Abu-Jamal sitzt seit 27 Jahren wegen angeblichen Polizistenmordes in der Todeszelle. Obwohl die Beweismittel dürftig und Manipulationen aus rassistischen und politischen Gründen naheliegend sind, schwebt Mumia Abu-Jamal immer noch in Todesgefahr. Sein Verteidigerteam, geleitet von seinem Hauptanwalt Robert R. Bryan aus San Francisco, strebt ein neues und faires Verfahren an. Trotz der Wahl von Barack Obama schätzen die Anwälte die Chancen dafür nicht günstig ein: Mumia is in greater danger than at any time since his 1981 arrest.

Die Entscheidung soll in den nächsten Wochen fallen. Deshalb wenden sich die Akademie der Künste und das P.E.N.-Zentrum Deutschland mit diesem dringenden Appell an die Öffentlichkeit. Mumia Abu-Jamal wurde 2007 für seine publizistischen Tätigkeiten in der Haft (fünf Bücher, regelmäßige Radiosendungen und Zeitungskolumnen) vom American P.E.N.-Center zum Mitglied ernannt. Er ist Ehrenbürger von Paris und wird von einer weltweiten Solidaritätsbewegung unterstützt.

Gerhart Rudolf Baum
Rechtsanwalt, Bundesminister a. D.
Robert R. Bryan Hauptanwalt von Mumia Abu-Jamal, San Francisco 
Danielle Mitterrand (Paris) 
Klaus Staeck Präsident der Akademie der Künste
Günter Wallraff Schriftsteller
Johano Strasser Schriftsteller, Präsident des P.E.N.-Zentrums

In Zusammenarbeit mit dem P.E.N.-Zentrum Deutschland
Medienpartner: Die Tageszeitung
Amnesty International wird über die Todesstrafe informieren. 

Sonntag, 29.3.2009

11 Uhr

Pariser Platz

Plenarsaal

Johano Strasser im Gespräch mit Gerhart Rudolf Baum, Robert R. Bryan, Danielle Mitterrand, Klaus Staeck und Günter Wallraff
Eintritt Euro 5/3, bis 18 Jahre Eintritt frei
Dokumentation
Appell an die Öffentlichkeit
Akademie der Künste und P.E.N.-Zentrum Deutschland appellieren: Gerechtigkeit für Mumia Abu-Jamal in einem fairen Verfahren
Pressemitteilung vom 29. März 2009

Mumia Abu-Jamal: "...aus der Todeszelle"
Essays von Mumia Abu-Jamal erschienen auch in deutscher Übersetzung unter dem Titel "... aus der Todeszelle". Durch die Texte dieses Buches erfuhr die Öffentlichkeit in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland 1995 erstmals aus dem Inneren der Todestrakte. Das Buch veränderte die öffentliche Meinung in den USA, die bis dahin ganz überwiegend für die Todesstrafe eingestellt war. Seither entfacht der Name Mumia Abu-Jamal in den USA und international heftige Diskussionen und mobilisiert Tausende gegen die Todesstrafe und für die Wiederaufnahme des Verfahrens.
Das Buch erschien im Atlantik-Verlag, der seit 2007 nicht mehr existiert, die Bücher sind aber weiterhin lieferbar. Nähere Informationen zu den lieferbaren Titeln:
http://www.freedom-now.de/news/artikel492.html

Aus dem Vorwort von Mumia Abu-Jamal: 
Erzählt mir nichts vom Schattenreich des Todes. Ich lebe dort. Im Landkreis Huntingdon im mittleren Süden Pennsylvanias steht ein hundert Jahre altes Gefängnis. Seine düsteren gotischen Türme verheißen nichts Gutes, zu ihren Füßen meint man den Hauch des finstren Mittelalters zu verspüren. Wie ich verbringen ungefähr 78 andere Gefangene täglich 22 Stunden in zwei mal drei Meter großen Zellen. Die verbleibenden zwei Stunden dürfen wir unter der Kontrolle der Wachtürme draußen verbringen, in einem Käfig aus Maschendraht.
Willkommen in den Todeszellen von Pennsylvania.
Ich kann es immer noch nicht fassen. Vor ein paar Jahren hat der Oberste Gerichtshof von Pennsylvania das Todesurteil gegen mich mit den Stimmen von vier Richtern bestätigt (drei nahmen an der Sitzung nicht teil). Als schwarzer Journalist, der in jungen Jahren ein Black Panther war, habe ich mich intensiv mit der langen Geschichte der legalen Lynchjustiz an Afrikanern in Amerika beschäftigt. Ich erinnere mich an eine Titelseite der Black Panther-Zeitung mit dem Zitat: 'Kein schwarzer Mann hat Rechte, die ein weißer Mann respektieren müßte'. Es wird Richter Roger Taney zugeschrieben, dem damaligen Vorsitzenden des Obersten US-Bundesgerichts, und es soll in dem berühmt-berüchtigten Dred-Scott-Prozeß gefallen sein, in dessen Verlauf das Gericht befand, daß weder Afrikanern noch ihren 'freien' Abkömmlingen verfassungsmäßige Rechte zustünden. Kaum zu glauben, aber wahr.
Vielleicht bin ich naiv, vielleicht auch einfach nur dumm - aber ich habe trotz allem fest daran geglaubt, daß man sich in meinem Fall an das Gesetz halten und das Urteil revidieren würde. Wirklich!

Informationen zum Thema "Gerechtigkeit für Mumia Abu-Jamal"
Wir weisen darauf hin, daß die Akademie der Künste für Inhalte von verlinkten Texten nicht haftet (siehe Impressum).
Nachfolgenden Text hat uns Annette Schiffmann, Netzwerk gegen die Todestrafe, zur Verfügung gestellt. Wir danken ihr auch für die freundliche Vermittlung, die es uns ermöglicht hat, den Videoausschnitt aus "In Prison My Whole Life" für die Videoaufzeichnung des Akademie-Gespräches zu verwenden und über Internet zu verbreiten.

Im April wird der amerikanische Rundfunk-Journalist Mumia Abu-Jamal 55 Jahre alt. 27 davon hat er mittlerweile im Todestrakt verbracht. Seit 27 Jahren kämpft er darum, seine Unschuld beweisen zu können. Amnesty International hat seinem Prozess im Jahr 2000 einen eigenen Report gewidmet, in dem ein haarsträubender Verfahrensskandal nach dem anderen aufgelistet wird und der mit der Forderung nach einem neuen Verfahren endet, die Amnesty bis heute bekräftigt.
Die unendliche Geschichte nähert sich dem Ende. Als allerletzte seiner juristischen Möglichkeiten liegt der Fall nun vor dem US Supreme Court der Vereinigten Staaten. Aber auch die Staatsanwaltschaft gibt nicht auf und hat vor dem gleichen Gericht beantragt, die Aussetzung des Todesurteils für Abu-Jamal im Jahr 2001 zu beenden und ihn ohne weitere juristische Prüfung hinrichten zu lassen.

Bitte unterstützen Sie Abu-Jamals Antrag auf Anhörung und damit seine letzte Chance auf ein neues Verfahren. Zu diesem Zweck ist eine Online Petition an die Richter des Supreme Court eingerichtet worden.
Online-Petition: http://www.petitiononline.com/Mumialaw/petition.html
Bitte unterschreiben Sie diese Petition und verbreiten Sie sie weiter! Die ersten 1000 Unterschriften sind zusammen mit der Petition am 21. März 2009 an den Supreme Court in Washington geschickt worden – der Brief mit der 3000. Unterschrift ging am 3. April an die Obersten Richter.

Annette Schiffmann – anna.schiff@t-online.de
Netzwerk gegen die Todesstrafe – www.InPrisonMyWholeLife.com
www.internationalpeaceandconflict.org/profile/AnnetteSchiffmann


Die Petition im deutschen Wortlaut:
An die Ehrenwerten Richter und die Richterin am Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika
Vorsitzender Richter John Roberts,
Richter Samuel Alito,
Richter Stephen Breyer,
Richterin Ruth Bader Ginsburg,
Richter Anthony Kennedy,
Richter Antonin Scalia,
Richter David Hackett Souter,
Richter John Paul Stevens,
Richter Clarence Thomas
 
Ihnen liegt der Fall Mumia Abu-Jamals zur Entscheidung vor. Uns ist bewusst, dass es dabei um die schwierige Aufgabe geht, über die grundsätzliche Frage der Gerechtigkeit zu entscheiden. Ihre Entscheidung bietet jedoch die Hoffnung auf ein kleines Licht am Ende des langen Tunnels von Rassismus, der Amerikas Ruf in der Welt so lange Zeit schwer geschädigt hat.
Wir lassen die zahlreichen und komplizierten Details dieses Falles hier beiseite. Am wichtigsten scheint uns folgendes: Der offensichtliche Rassismus, der sich durch diesen Fall zieht wie ein roter Faden, verletzt Amerikas oft zitierte grundlegende Werte der Fairness und Gerechtigkeit und hat deshalb weltweit Aufmerksamkeit erregt. So auch die der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die dem Fall im Jahr 2000 einen ausführlichen eigenen Bericht gewidmet hat, in dem sie ein neues Verfahren fordert. Das tut sie bis heute.
Der in der Verfassung garantierte Grundpfeiler eines fairen Verfahrens ist eine Jury, die ohne Vorurteile ausgewählt wird – auch ohne rassistische. Es ist unbestritten, dass das ursprüngliche Verfahren mit nur 3 afro-amerikanischen Geschworenen – bei einer Gesamtzahl von 12 – begann, von denen schließlich nur 2 übrig blieben. Und das in einer Stadt, deren Anteil an Schwarzen damals nahezu 40% betrug. Staatsanwalt Joseph McGill verwendete 10 seiner 15 Geschworenenablehnungen gegen Schwarze. Sein Verhaltensmuster ist typisch für die rassistische Praxis der Ankläger Philadelphias in jener Zeit.
Die rassistische Atmosphäre zur Zeit von Abu-Jamals Verfahren 1982 wird auf traurige Weise durch die Tatsache illustriert, dass ein damaliger stellvertretender Staatsanwalt in Philadelphia später ein Trainingsvideo für die Ankläger der Stadt produzierte, mit dessen Hilfe sie lernen sollten, wie sie die Anweisungen Ihres höchsten Gerichts umgehen könnten, die Geschworenenauswahl ohne tendenziöse Vorauswahl zu treffen. Er bezog sich bei seinen Empfehlungen ausdrücklich auf die “althergebrachte Weisheit” und die langjährige Gewohnheit der Staatsanwälte Philadelphias:
„Bedenken Sie: Schwarze aus einkommensschwachen Stadtteilen neigen weniger zu Verurteilungen und haben einen Widerwillen gegen Strafverfolgungsbehörden… Sie wollen diese Leute nicht auf der Geschworenenbank… Wenn Sie einen weißen Lehrer aus einer schwarzen Schule kriegen können, der die Nase voll hat von diesen Typen – das ist der Richtige für Sie.”
Die Gerichte eines Landes, das zu Recht stolz ist auf seine einzigartige Verfassung mit ihrer Garantie gleicher Rechte für alle, sollten es besser können. Ob Herr Abu-Jamal schuldig ist oder nicht, spielt hier keine Rolle. Worum es geht, ist ein faires Verfahren – ein verfassungsmäßiges Recht, das dem Angeklagten seit 27 Jahren verweigert wird.
Das ist es jedoch nicht einmal, worum Herr Abu-Jamal jetzt vor Ihrem Gericht bittet. Das einzige, worum er bittet, ist dass seine wohl dokumentierte Klage über die rassistischen Vorurteile in seinem ursprünglichen Verfahren in vollem Ausmaß und mit Fairness angehört wird und dass Ihr Gericht die angemessenen Konsequenzen verfügt.
 
Mit allem angemessenen Respekt und gleicher Dringlichkeit bitten wir Sie, Ihre Macht als höchstes Gericht der Vereinigten Staaten dazu zu nutzen, ihm diese Anhörung zu gewähren.
 
Hochachtungsvoll,
http://www.PetitionOnline.com/supreme/petition.html


Quellen zum Fall Abu-Jamal:
www.amnesty.org/en/library/info/AMR51/001/2000
A Life in the Balance – the Case of Mumia Abu-Jamal
Report by Amnesty International
www.stimmenfuermumia.de
www.mumia-hoerbuch.de

Mitteilung von Robert R. Bryans, Hauptanwalt von Mumia Abu-Jamal,
nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Obersten Gerichts der USA vom 6. April 2009

Datum: Mon, 6 Apr 2009 15:50:05 -0700
Von: "Robert R. Bryan/AOL"
An: Free.Mumia@gmx.net
Betreff: Mumia - U.S. Supreme Court

Dear Friends:
Today the United States Supreme Court denied relief on the racism-in-
jury-selection issue. We were stunned, because the dissenting judge
in the U.S. Court of Appeals for the 3rd Circuit previously pointed
out that the racism was blatant in this case. One can only conclude
that the Supreme Court decision was political. I will be filing a
petition for rehearing within 25 days. Below is a related article
from the Associated Press.
Mumia and I spoke earlier. He is upset because this decision affects
not only him, but many others who are victims of racism. The Supreme
Court, led by a Bush appointee, obviously does not care.
We are still in the Supreme Court on the death penalty issue.
With best wishes,
Robert

Law Offices of Robert R. Bryan
2088 Union Street, Suite 4
San Francisco, CA 94123-4117
Lead counsel for Mumia Abu-Jamal

Aufzeichnung des Gesprächs aus dem Plenarsaal der Akademie der Künste, Pariser Platz
deutsche und englische Fassung
in Koproduktion mit ZEITZEUGEN-TV

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