Covered Memories – Filme aus dem Iran Maned & Macho, When the kid was a kid, Ayan and the White Balloon, Tattoo, The Visit (Kurzfilme)
Das Austesten von Zensur durch Andeutungen und Chiffren ist eine Stärke des iranischen Kinos. Bemerkenswert häufig greifen Filme das Schicksal von Frauen auf, die Wege aus der ihnen zugewiesenen Rolle suchen. Das Programm umfasst Animations-, Experimental-, Spiel- und Dokumentarfilme aus den letzten Jahren, die, vielfach auf Festivals ausgezeichnet, sich jeweils durch eine besondere bildkünstlerische und erzählerische Handschrift auszeichnen.
Kuratiert von Afsun Moshiry und Farhad Delaram, Stipendiat der JUNGEN AKADEMIE.
Interviewbeiträge mit den Filmemacher*innen Farhad Delaram, Vida Dena, Azadeh Moussavi und Ayat Najafi auf der Online-Plattform der JUNGEN AKADEMIE ergänzen das Filmprogramm.
Programm
18.30 bis 21 Uhr: Kurzfilme
Gespräch mit Vida Dena und Farhad Delaram. Moderation: Afsun Moshiry
(21 Uhr: Dokumentarfilm „No Land’s Song“ mehr)
Das Kurzfilmprogramm beginnt mit Shiva Sadegh Assadis Animationsfilm Maned & Macho (2017). Er handelt von einem heranwachsenden Mädchen, dessen unterdrückte Emotionen und Instinkte in ihrer Traumwelt als Tierfiguren verkörpert werden.
Der Film When the Kid was a Kid (2009) von Anahita Ghazvinizadeh, einer herausragenden Schülerin von Abbas Kiarostami, erforscht die Perspektive eines Jungen auf seine geschiedene Mutter. Im Spiel mit Freunden nimmt er ihre Rolle ein.
In ihrem sehr persönlichen Film Ayan and the White Balloon (2015) ergründet Vida Dena die gesellschaftlichen Schwierigkeiten, die sie bei ihrer Rückkehr in den Iran erlebt und reflektiert Fragen der Herkunft und Entfremdung. Im Film stellt sie eine Polizeikontrolle nach und spielt verschiedene Szenarien durch.
In Tattoo (2018) erzählt Farhad Delaram die Geschichte einer jungen Frau, die die Verlängerung ihres Führerscheins beantragt. Aufgrund ihrer Tätowierungen endet das Verfahren in mehreren erniedrigenden Verhören durch die Behörde. Der Film erhielt den Preis für den besten Kurzfilm im Berlinale-Wettbewerb Generation 14plus 2019. Farhad Delaram ist Stipendiat der JUNGEN AKADEMIE, des Artist-in-Residence-Programms der Akademie der Künste.
Der Film The Visit (2019) der Filmemacherin Azadeh Moussavi zeigt die eindrucksvolle Momentaufnahme einer Frau, die versucht ihren Mann im Gefängnis zu besuchen, der als politischer Gefangener inhaftiert ist.
Text: Afsun Moshiry (Kuratorin)
Seit jeher sind westliche Gesellschaften von der Stärke und Ausstrahlung iranischer Frauen fasziniert, angezogen und beunruhigt. Antike griechische Darstellungen einflussreicher persischer Herrscherinnen und anderer Führungsfiguren wie Kassandane, Atossa, Amestris, Artunis und Artemisia vermitteln nicht nur Respekt und Ehrfurcht, sondern auch die Angst und den Argwohn der männlichen Betrachter angesichts des Muts und des Eigensinns dieser weiblichen Figuren. Ihre Geschichte und ihre Geschichten sind bis heute eng mit der Identität von iranischen Frauen verbunden. Im Kontrast dazu stellen westliche Medien sie jedoch oftmals nur als Opfer ohne eigene Stimme dar.
Vor der Islamischen Revolution 1979 gab es durchaus Fortschritte in Bezug auf Rechte und Freiheiten von Frauen, etwa im Familienrecht oder bei der Freiheit, sich durch Mode auszudrücken. Damals wollte die Monarchie das Land nach westlichen Maßstäben modernisieren. Der in der iranischen Kultur vorherrschende und tief verwurzelte religiöse und kulturelle Konservatismus stellte sich auch schon während dieser Periode jeder Form der Liberalisierung entgegen. Obwohl iranischen Frauen scheinbar die gleichen Freiheiten wie den Männern im Land zustanden, wurde ihnen von ihren Familien und Gemeinden dennoch untersagt, sie auch tatsächlich wahrzunehmen. Letztlich setzten sich die Gegner der Liberalisierung durch, und infolge der Islamischen Revolution wurden die Einschränkungen schließlich auch gesetzlich verankert.
Auf das Leben der iranischen Frauen wirkte sich das dramatisch aus: Seitdem müssen sie unter anderem in der Öffentlichkeit einen Hidschab tragen und die Erlaubnis ihres Ehemannes oder ihres männlichen Vormunds einholen, um ins Ausland zu reisen. Zudem wird ihnen nach einer Scheidung das Sorge- und das Eigentumsrecht entzogen. Der Funke des liberalen Fortschritts in der Geschichte des Iran ist inzwischen fast vergessen. Ikonen aus dieser kurzen, aber zutiefst prägenden Zeit – wie die legendäre Dichterin und Filmemacherin Forugh Farrochzād – dienen späteren Generationen von Frauen jedoch immer noch als Quellen der Inspiration.
Das Filmprogramm Covered Memories bietet einen Einblick in das Leben der modernen iranischen Frau und die Gesellschaft, die sie umgibt. Die zur Vorführung ausgewählten Filme sind jenen von ihnen gewidmet, die im Angesicht von Widrigkeiten und drohender Repressalien ihre Eigenständigkeit zu verteidigen suchen und subtile Formen des Widerstandes entwickelt haben. Das Wort "Covered" (deutsch: verhüllt) reflektiert sowohl die physische Bedeckung, die den Frauen auferlegt wird als auch die durch Selbstzensur unterdrückten Gefühle, die sie daran hindern, sich frei auszudrücken und selbst Entscheidungen zu treffen "Memories" (Erinnerungen) hingegen spiegelt die lange Geschichte von Frauen als Protagonistinnen iranischer Kultur, nicht nur als Objekte männlicher Unterdrückung, sondern in ihrer Rolle als Künstlerinnen, Philosophinnen, Wissenschaftlerinnen, Führungspersönlichkeiten und Gestalterinnen der Weltgeschichte.
Ich spreche aus der Tiefe der Nacht
aus der Tiefe der Finsternis
und der Tiefe der Nacht spreche ich.
Wenn du zu meinem Haus kommst, Freund,
bring eine Lampe und ein Fenster mit,
durch das ich schauen kann
hinaus auf die Menge in der fröhlichen Gasse.
Forugh Farrochzād