MaerzMusik Festival 2024
Das Gastspiel von MaerzMusik in der Akademie der Künste vertieft die Zusammenarbeit zwischen beiden Institutionen und zeigt den interdisziplinären Fokus des Festivals: Zu erleben sind musikalische Untersuchungen, die sich mit der Ethik der Improvisation befassen. Darüber hinaus umfasst das Programm künstlerische Interventionen, die das Potenzial der Stimme erweitern und nach neuen Formen der Ko-Kreation suchen.
Im Rahmen der MaerzMusik 2024 finden am Freitag, den 22.3., folgende Veranstaltungen in der Akademie der Künste am Hanseatenweg statt:
14 –18 Uhr
Library goes AdK
Gespräch und Lesung mit George Lewis, Harald Kisiedu
Hanseatenweg, Eintritt frei
19 – 20 Uhr
Topographies of Hearing: YOUR MOUTH LIMB DISMEMBERED, THE GRADUAL TONGUE DISSECTED
Performance und Installation mit Audrey Chen, Hugo Esquinca
Hanseatenweg / Halle 3, Eintritt frei
20.30 – 23 Uhr
(Musical) Ethics Lab 6
Konzert, Workshop-Präsentation und Gespräch mit Splitter Orchester, Trondheim Jazz Orchestra
Hanseatenweg / Studio, Eintritt: 20/15 €
Gespräch & Lesung: Library goes AdK
Am 22. März zieht die Library of MaerzMusik an den Hanseatenweg, um unter anderem das Rechercheprojekt „Contemplations into the Radical Others“ über Lucia Dlugoszewski in der Akademie der Künste auszustellen. Zusätzlich zu diesem Wissenstransfer werden George Lewis und Harald Kisiedu in einem Gespräch ihr neues Buch Composing While Black vorstellen.
Wissen ist nicht ortsgebunden, Wissen muss sogar wandern. Die Library of MaerzMusik gastiert deshalb an der Akademie der Künste, um die Zusammenarbeit zwischen beiden Institutionen zu vertiefen und die während des Festivalzeitraums ausgestellten Medien an einem anderen Ort zu kontextualisieren und zentrale Fragestellungen zu erweitern. Zusätzlich zu einem Büchertisch sowie einer Ausstellung multimedialer Inhalte aus dem Rechercheprojekt „Contemplations into the Radical Others“ über das Leben und Werk von Lucia Dlugoszewski wird der buchstäbliche Wissenstransfer in einer Gesprächsrunde vertieft. Mitglieder der Akademie der Künste, darunter George Lewis, der in diesem Jahr gemeinsam mit Harald Kisiedu die Anthologie Composing While Black herausgegeben hat, treffen sich vor Publikum zum Gespräch.
Performance & Installation: Topographies of Hearing: YOUR MOUTH LIMB DISMEMBERED, THE GRADUAL TONGUE DISSECTED
Audrey Chen und Hugo Esquinca stellen mit „YOUR MOUTH LIMB DISMEMBERED, THE GRADUAL TONGUE DISSECTED“ ein neues Werk bei MaerzMusik in der Reihe „Topographies of Hearing“ vor. Dabei gehen sie an die Grenzen des körperlichen Ausdrucks und der technologischen Manipulation menschlicher Klänge.
Im Rahmen ihrer Zusammenarbeit erforschen Audrey Chen und Hugo Esquinca die Dynamik eines sonoren Körpers in Interaktion mit einem verarbeitenden System, das unmittelbar auf die Besonderheiten seiner Spektren reagiert. Dabei betrachten sie ebenso das Verhältnis von beidem zu einem vordefinierten Raum. „YOUR MOUTH LIMB DISMEMBERED, THE GRADUAL TONGUE DISSECTED“ wird im Rahmen von „Topographies of Hearing“ bei MaerzMusik 2024 als eine einwöchige Intervention, die die physischen Grenzen der überdehnten Stimme durch instabile Arrangements der Signalverarbeitung auslotet, an vier verschiedenen Orten präsentiert. Durch Rückgriff auf das Phänomen des Phantomschmerzes sowie auf orale und auditive Wahrnehmungen wird das Zusammenspiel von Stimme und Prozess als Mittel eingesetzt, um die Tiefe und die explosiven Fähigkeiten des Stimmapparats zu enthüllen. Der bleibende Eindruck, die Restempfindung, die dem Klang folgt, breitet sich im physischen Raum aus und ruft das der Muskulatur übertragene Erinnerungsartefakt wach.
„Topographies of Hearing“ ist eine von MaerzMusik initiierte Reihe von Klanginstallationen, Konzerten und Langzeit-Kompositionen, die Fragen nach immersiven Hörbegegnungen und deren Erfahrung jenseits von Konzert- und Aufführungsräumen stellt. Inspiriert von der Arbeit Maryanne Amachers lädt das Festival Audrey Chen, Hugo Esquinca, Christina Kubisch und Jessica Ekomane dazu ein, in der Library im Haus der Berliner Festspiele, in der Akademie der Künste, im SAVVY Contemporary und an weiteren Orten in Berlin ortsspezifische Soundarbeiten zu schaffen, die sich mit akustischen Bildern und Szenografien des Ohrs auseinandersetzen.
Die Arbeiten untersuchen das Verhältnis zwischen Publikum und Raum. Durch Live-Konzerte und Aufführungen, die zu spontanen oder vorher festgelegten Zeiten während des Festivalzeitraums organisiert werden, begleiten sie die MaerzMusik sowohl als immersive Räume des Zuhörens als auch als kollektive Erfahrungen, die die Politiken des Zuhörens im Gegensatz zum westlichen Kontext eines Konzertsaals oder der Sterilität von Ausstellungsräumen auf den Prüfstand stellen. Physiologische Beschränkungen – sitzend, frontal, verrenkt – werden in neue Bereiche des Komponierens und Aufführens von Musik und Klang verwandelt. Wie können wir unsere Bewegungen zum Klingen bringen? Wie formt der Raum unseren Klang? Welchen klanglichen Abdruck hinterlassen unsere – menschlichen – Körper? Und was können Klänge, die vor uns da waren, uns über unsere Vergangenheit erzählen, unser Heute und Morgen choreografieren.
Konzert, Workshop-Präsentation & Gespräch: (Musical) Ethics Lab 6
Seit 2022 durchleuchten das Splitter Orchester und das Trondheim Jazz Orchestra aktiv die Zusammenhänge zwischen Improvisation und Ethik in einem von Christopher Williams initiierten Langzeitprojekt. Bei MaerzMusik präsentieren sie praktische Resultate ihrer musikalischen Forschung als Konzert sowie im Rahmen eines ausgiebigen Publikumsgesprächs.
Ethische Grundsätze zu haben, ist eines, ethisch zu handeln etwas anderes. Das interdisziplinäre, praxisorientierte Forschungsprojekt „(Musical) Improvisation and Ethics“ versteht Ethik nicht als unreflektierte Ausführung festgeschriebener Normen und Regelwerke. Vielmehr begreift es Ethik als einen Prozess, der ständig neu verhandelt wird und sich in konstanter Veränderung befindet. Basierend auf einer Zusammenarbeit zwischen dem Artistic Researcher Christopher A. Williams, der Anthropologin Carline Gatt, dem Philosophen Joshua Bergamin und in kollaborativer Partnerschaft mit dem Berliner Splitter Orchester und dem Trondheim Jazz Orchestra, setzt das Projekt eine Kombination von gewohnheitsmäßigem Handeln voraus und untersucht dessen Modulationen mit und im Rahmen gesellschaftlicher Kontexte. Inwieweit spiegeln sich diese Prozesse in der Musik großformatiger, improvisierender Klangkörper?
Seit Anfang 2022 ziehen sich das Berliner Splitter Orchester und das Trondheim Jazz Orchestra zur Untersuchung dieser Frage in unregelmäßigen Abständen ins Labor zurück, um als freie Radikale im Selbstversuch oder in unterschiedlichen Konstellationen mit verschiedenen theoretischen und praktischen Schwerpunkten miteinander zu (re-)agieren. Mittels experimenteller improvisierter Musik versuchen sie, die Genese von musikalischem Material zu dokumentieren sowie die Werte und Normen improvisatorischer Praktiken und ihre Beziehungen zu menschlichen und nicht-menschlichen Elementen in ihrer direkten Umgebung sichtbar zu machen und zugleich zu hinterfragen. Bei MaerzMusik stehen das Splitter Orchester und das Trondheim Jazz Orchestra erstmals gemeinsam auf der Bühne, um einige praktische Resultate dieses intensiven Forschungsprozesses sowohl in Form eines Konzerts unter dem Titel „(Musical) Ethic Lab 6“ als auch im Rahmen eines ausgiebigen Gesprächs mit dem Publikum zu präsentieren.