Schwierige Beziehungen, einfache Rezepte
Ein Nachmittag mit der Zeitschrift SINN UND FORM übers Kochen und Essen
„Das Essen ist wirklich gut und auch sehr reichlich, da kann man nichts sagen. Auch Geflügel gibt es und sehr viel Gemüse und Salate, ein Paradies für Paul Dessau. Milch trink ich jeden Tag einen halben Liter.“ Die junge Schauspielerin Käthe Reichel, die hier so genau über kulinarische Abläufe und Begegnungen Auskunft gibt, befindet sich 1951 zur Erholungskur auf Schloss Wiepersdorf. Sie schreibt an Bertolt Brecht, ihren wesentlich älteren, heimlichen Geliebten, der in Berlin über alles informiert werden will. Der bis zu Brechts Tod 1956 dauernde Briefwechsel wurde in Heft 2/2024 der Zeitschrift SINN UND FORM zum ersten Mal veröffentlicht, er dokumentiert die schwierige Beziehung der beiden ungleichen Partner, enthält aber auch interessante Passagen zum Theaterleben der fünfziger Jahre und zum Künstlerdasein in der frühen DDR.
Eigens für die Veranstaltung hat Erhard Weinholz den in SINN UND FORM 4/2023 veröffentlichten Beitrag Einfache Rezepte zum größeren Teil neu formuliert. Seine kulinarisch-politische Familien- und Heimatgeschichte hat Aufzeichnungen aus DDR-Zeiten zur Grundlage; wochenlang hatte er damals notiert, was es bei seinen Eltern, später bei ihm zu Mittag gab. Durchaus nicht ärmlich und sehr deutsch war diese Küche: Bratwurst mit Kohlrabi, Kotelett mit Blumenkohl, verlorene Eier in Petersiliensauce... Als er viele Jahre später, nach dem Tod der Eltern, seinen einstigen Heimatort besucht, isst er im ehemaligen Konsum zu Mittag. Was dort verzehrt wurde, zeigte ihm, wie er resümierend bemerkt, „noch einmal die Geduld und Leidensfähigkeit des Volkes; es muß schon viel geschehen, damit es sich – wie im Herbst '89 – zu massenhaftem Protest erhebt.“
Lesung und Gespräch mit Helene Herold, Editorin des Briefwechsels Brecht-Reichel und Mitarbeiterin im Archiv Darstellende Kunst der Akademie der Künste, und Erhard Weinholz, früherer Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften, Redakteur der Zeitschrift Horch und Guck und Autor.
Es moderiert Matthias Weichelt, Chefredakteur der von der Akademie der Künste herausgegebenen Literaturzeitschrift SINN UND FORM, die in diesem Jahr ihr 75-jähriges Jubiläum feiert.