Bildmotiv nach Filmstill aus der Bayreuther Lohengrin Inszenierung von Hans Neuenfels © Björn Verloh

FETTFILM

DER FILM HAT SICH
DIE SUGGESTIVE,
ZUR VISUALISIERUNG
TREIBENDE KRAFT
VON WAGNERS
MUSIK ZUNUTZE
GEMACHT.


Charles Baudelaire hat sich in einem Aufsatz aus dem Jahr 1861 mit der Frage beschäftigt, welche optischen Eindrücke die Musik Richard Wagners hervorrufen kann. Als Beispiel dient ihm das Vorspiel zu Lohengrin. Baudelaire konstatiert, dass die Musik bei verschiedenen Hörern zu ähnlichen Assoziationen führt: Es stelle sich "das Gefühl der geistigen und physischen Glückseligkeit" ein, "die Empfindung eines intensiven Lichtes, das die Augen und die Seele bis zur Erschöpfung entzückt, […] das Gefühl, der Raum sei ausgedehnt bis an die letzten wahrnehmbaren Grenzen".
Der Film hat sich diese suggestive, zur Visualisierung treibende Kraft von Wagners Musik zunutze gemacht – mit dem Effekt, dass sich dem heutigen Hörer unweigerlich bestimmte optische Assoziationen aufdrängen, wenn er einzelne Musikstücke Wagners hört. Seit Francis Ford Coppola in Apocalypse Now! (1979) den Angriff auf ein vietnamesisches Dorf mit der Musik des Walkürenritts unterlegte, ist dieses Musikstück im popkulturellen Gedächtnis unweigerlich mit den Bildern fliegender Kampfhubschrauber verknüpft. Charles Chaplin nutzte das Lohengrin-Vorspiel zur Untermalung seines legendären Balletts mit der Weltkugel in The Great Dictator (1940).
Die Vereinnahmung bestimmter Stücke aus Wagners Werk lässt sich bis in die Stummfilmzeit zurückverfolgen. Schon im Jahr 1915 setzte David W.Griffith den Walkürenritt als Begleitmusik zu Bildern des einreitenden Ku-Klux-Klan in seinem Film The Birth Of A Nation ein.
Die Rezeption Richard Wagners im Kino und durch das Kino hat viele Varianten. Sie reicht vom musikalischen Zitat über die Adaption der seinen Opern zugrunde liegenden Stoffe bis hin zu den Versuchen, das Kino selbst als eine Form des Gesamtkunstwerks zu konzeptualisieren.
Den Ausgangspunkt bildet jedoch die Verknüpfung von Wagners Musik mit bewegten Bildern – sei es in illustrativer oder in narrativer Funktion, zur Erzeugung von Pathos oder als Mittel ironischer Brechung.
Die Medieninstallation zeigt anhand einiger prägnanter Beispiele, auf welch unterschiedlicheWeise die durch Wagners Musik ausgelöste Emotionalität filmisch produktiv gemacht wird. Der Betrachter kann die Suggestivität der Bild-Ton-Kombinationen auf sich wirken lassen oder die Augen schließen und eigenen Assoziationen folgen. Dabei ist es keineswegs notwendig, dass die Urheberschaft Wagners jeweils erkannt wird. In unserem visuellen Gedächtnis ebenso wie in der Geschichte des Films führt Wagners Musik ein Eigenleben.
Jan Drehmel, Kristina Jaspers, Steffen Vogt, 2012

FETTFILM
Den Videokünstlern Momme Hinrichs und Torge Møller geht es in ihrer Arbeit vor allem um die Verknüpfung von Video mit anderen Medien zu einem Gesamtkunstwerk, das sich nicht in bloßer Koexistenz oder der Dekoration von Bühnenräumen erschöpft, sondern mehrere künstlerische Ebenen miteinander verschmelzen lässt. Dabei arbeiten sie regelmäßig mit Regisseuren wie u. a. Peter Konwitschny, David Pountney, Willy Decker, Stefan Herheim oder Philipp Stölzl zusammen.
Ihre Arbeit führte fettFilm neben den Bregenzer und den Bayreuther Festspielen sowie den Salzburger Sommer- und Osterfestspielen auch an die Ruhrtiennale, die Wiener und Berliner Opernhäuser, diverse Theater in ganz Europa sowie nach Indien, Kanada und Aserbaidschan. Dabei entstanden vielfältige Installationen für die Bereiche Oper, Sprechtheater, Musical, Tanz und Ballett. Arbeiten außerhalb des Theaters waren u.a. ihre vielbeachtete Videoinstallation Signs Fiction am Potsdamer Platz sowie das Videodesign für die Tourneen von Marius Müller-Westernhagen 2010 und 2012.
Mitarbeit an Wagner-Inszenierungen: Parsifal, 2005 Staatsoper Unter den Linden, Berlin (Regie: Bernd Eichinger), Die Walküre, 2007 Wiener Staatsoper (Regie: Sven-Eric Bechtolf ), Der Ring des Nibelungen, 2007/2008 Palace of the Arts, Budapest (Regie: Hartmut Schörghofer), Parsifal, 2008 Bayreuther Festspiele (Regie: Stefan Herheim), Siegfried, 2008 (Regie: Sven-Eric Bechtolf,Wiener Staatsoper), Lohengrin, 2009 (Regie: Stefan Herheim, Staatsoper unter den Linden, Berlin), Rienzi, 2010 Deutsche Oper Berlin (Regie: Philipp Stölzl), Tristan und Isolde, 2011 Ruhrtriennale, Jahrhunderhalle Bochum (Regie: Willy Decker).Aktuell arbeitet fettfilm an Der fliegende Holländer, 2012 National Opera Donezk (Regie: Mara Kurotschka), der ersten Wagner- Inszenierung, die jemals in der Ukraine aufgeführt wurde. www.fettfilm.com


Die Kuratoren Jan Drehmel, Kristina Jaspers und Steffen Vogt konzipieren für das Zeughauskino am Deutschen Historischen Museum, Berlin, unter dem Titel WAGNERKINO eine Film- und Veranstaltungsreihe, die die vielfältigen Facetten der Wagner-Rezeption im Film genauer beleuchtet (25. April bis 31. Mai 2013). Sie haben das Künstlerduo fettFilm bei der Medieninstallation für die Ausstellung "Wagner2013.Künstlerpositionen" beraten und die Filmausschnitte ausgewählt.
www.wagner-kino.de


 


In der Ausstellung
● Medieninstallation