Die Ausstellung
Elfi Mikesch, Rosa von Praunheim sowie Werner Schroeter zeichnet eine ungeheure Produktivität aus. Elfi Mikesch drehte als Kamerafrau über 40 Filme, führte bei rund 20 Filmen Regie, fotografiert und publiziert. Rosa von Praunheim drehte 150 Filme, schreibt Gedichte, zeichnet, veröffentlicht Bücher und inszeniert am Theater. Werner Schroeter (1945–2010) realisierte über 30 Filme, einige davon sind internationale Ko-Produktionen, die Liste seiner Theater- und Operninszenierungen an den wichtigsten Bühnen Deutschlands und international, u.a. in Paris, Amsterdam und Venedig, ist lang. In der Ausstellung wird von dieser Vielfalt nur ein Bruchteil zu sehen sein, stattdessen stehen wenig bekannte und auch aktuelle Arbeiten im Vordergrund. Besonders augenfällig ist das grenzüberschreitende Moment und damit die Entdeckung weiterer künstlerischer Ausdrucksformen. Im Zentrum steht die Künstlerfreundschaft als verbindendes, immer wiederkehrendes Motiv.
Im Max-Liebermann-Saal des Akademie-Gebäudes am Pariser Platz werden die Stationen und verschiedene Facetten der Künstlerfreundschaft aufgefächert. In einer Dreifachprojektion ist vor allem das Frühwerk von Mikesch, Praunheim und Schroeter in Ausschnitten zu sehen. Bezüge in der Zusammenarbeit und Überschneidungen werden deutlich, erste Bildmotive zeichnen sich ab, die in der jeweiligen Werkgeschichte eine größere Rolle spielen. In zahlreichen Briefen, Fotografien, Tagebuchausschnitten und Drehbüchern, die in Vitrinen zu sehen sind, werden Liebe und Leidenschaft, Schmerz und Verletzung, aber auch immer wieder die Produktivität im Miteinander sichtbar.
Wir sind wie drei Wolken, die zu Blumen werden, zu Penissen, einer Vagina und zu goldenen Kronen. Ungewöhnlich waren wir und sperrig. Werner Schroeter mit seinem Pathos, den großen traurigen Gesten seines Stars Magdalena Montezuma, die einige Zuschauer zum Wahnsinn trieben, weil ungewohnt und noch nie gesehen. Elfi Mikesch mit ihrer Suche nach Schönheit, Bildern voller Sehnsucht und einer verrückten Dramaturgie und Rosa von Praunheim, wild, expressiv und hässlich. Als wir begannen, Filme zu machen, waren die 1968er gegen die Kunst und für politische Plakate. Später, als viele zurückfanden zur konventionellen Dramatik, waren wir zu versponnen, zu unlogisch, zu kunstvoll. Das Fernsehen und die Filmförderung haben uns Außenseiter gerettet, haben uns die Möglichkeit gegeben, aus unserer Berufung einen Beruf zu machen. Noch immer sind wir unentdeckt, sind wir ein Geheimnis in der deutschen Kinolandschaft – wie drei Wolken, aus denen erst bei heftigem Regen unsere bunten Farben auf das Publikum herunterprasseln und es anregen, mit uns zu träumen. Und nicht zufällig sind wir schwul und lesbisch und transgender. Aber wer ist das nicht?
Das reiche Werk Werner Schroeters wird von seinen langjährigen Begleitern und Vertrauten in zwei Räumen neu geordnet, präsentiert und kommentiert. Der erste Raum, kuratiert von Elfi Mikesch, die in mehreren seiner Filme die Kamera führte und Schroeters Bildwelt wie kaum ein anderer zu „übersetzen" wusste sowie von Claudia Lenssen, die dessen Autobiografie Tage im Dämmer, Nächte im Rausch 2011 im Aufbau-Verlag herausbrachte, widmet sich vor allem Schroeters Muse Magdalena Montezuma (1942–1984), mit der er zahlreiche Filme gedreht und Theateraufführungen inszeniert hat. Ihre Exzentrik und ihre großen Gesten prägen sein Werk. Einen wichtigen Verweis gibt es auf Maria Callas, die Schroeter bewunderte. Der Film Argila (1969), eine Doppelprojektion, ist neben frühen, wenig bekannten Schmalfilmen zu sehen. Eberhard Kloke, Komponist und wichtiger Wegbegleiter, hat aus Musik, die Schroeter verehrte bzw. verwendete sowie Interviewausschnitten, die eindrucksvolle Klangcollage Klanginstallation I – IV komponiert – eine musikalische Verbeugung vor Schroeter. Weiterhin auf der auditiven Ebene zu hören sind in dem Raum Ausschnitte aus einem 70-stündigen Interview, das Claudia Lenssen mit Werner Schroeter kurz vor seinem Tod führte.
In einem zweiten Raum führt die französische Kostüm- und Bühnenbildnerin Alberte Barsacq, die mit Schroeter bei fast allen Theater- und Opern-Inszenierungen zusammenarbeitete und für das beeindruckende Interieur in Malina und Die Nacht verantwortlich war, in einer Projektion Fotografien, Skizzen, Textfragmente und Entwürfe zusammen. In acht großformatigen Fotografien wird eine eher unbekannte Facette in Werner Schroeters Schaffen sichtbar. In stark vergrößerten Polaroid-Fotografien ist Schroeter selbst als Fotograf zu entdecken. Er lichtete seine Stars in Momenten der Vertraulichkeit und Verletzlichkeit ab, getaucht in Lichtkaskaden, die den Bildern etwas Malerisches geben. Eberhard Kloke, Komponist und wichtiger Wegbegleiter, hat aus Musik, die Schroeter verehrte bzw. verwendete sowie Interviewausschnitten, die eindrucksvolle Klangcollage Klanginstallation I – IV komponiert – eine musikalische Verbeugung vor Schroeter.
Elfi Mikesch, aktive Kamerafrau und Regisseurin, eröffnet in ihrem Ausstellungsraum ein weites Panorama ihrer Arbeiten von Anbeginn bis heute. Im Zentrum stehen zwei Holz-Kuben, eine Black Box und ein White Cube. In ersterem ist in einer monumentalen Doppelprojektion die aktuelle Arbeit L.A. Tango zu sehen, die auf Material basiert, das Mikesch vor 20 Jahren im Rahmen eines Aufenthaltes in der Villa Aurora, Los Angeles, die einst Leon Feuchtwanger als Exil diente, drehte. Im White Cube greift sie auf einen ihrer ersten Filme zurück Execution. A Study of Mary (1979), ein Fotofilm. Mit der Installation FLEISCH – STÜCKE, bestehend aus acht Fotografien, schlägt sie den Bogen zu ihrem Film Fieber (2014), der stark autobiografisch geprägt ist und von ihrer Kindheit in Judenburg erzählt. Der österreichische Komponist Daniel Lercher liefert mit Kleine Messe den Sound für ihre Installation. In diesen Zusammenhang gehören auch zwei Bilder von Elfi Mikeschs Vater, einem Fremdenlegionär, dessen Fotografien aus der Militärzeit in Fieber ein zentrales Element der Auseinandersetzung zwischen Vater und Tochter darstellen.
Rosa von Praunheim ist bekannt als Filmemacher und Aktivist. Aber seine Kreativität kennt keine Grenzen. Zurzeit ist am Deutschen Theater, Berlin, sein Stück Jeder Idiot hat eine Oma, nur ich nicht zu sehen. In seinem Ausstellungsraum dominieren seine Zeichnungen die Wände, in einem Zelt sind seine Gedichte hören. Jeden Mittwoch um 18 Uhr im Mai und Juni liest die Schauspielerin Christiane Ziehl aus Rosa von Praunheims Werken. Aber auch seine Biografie scheint in Objekten auf. Eingangs muss sich der Besucher durch Gitterstäbe zwängen, die seinen Geburtsort, ein Rigaer Gefängnis, symbolisieren, Höhe- und Endpunkt des Raumes stellt ein Mausoleum dar, in dem Rosa von Praunheim seinen Stars wie Luzi Kryn und Lotti Huber eine letzte Referenz erweist.
Eberhard Kloke Klanginstallation I – IV
Werner Schroeter verehrte Maria Callas und liebte die große Musik Beethovens, Wagners und Richard Strauss. In Eberhard Kloke fand er einen wichtigen Verbündeten. Kurz nachdem Werner Schroeter von seiner Krankheit erfahren hatte, interviewte Eberhard Kloke ihn. Dieses Tonmaterial setzt er in Beziehung zu seiner Klangkomposition. Ausgangspunkt der Audiosequenzen sind die gemeinsamen Musiktheaterprojekte von Werner Schroeter und Eberhard Kloke in den Jahren 1987 bis 2008. Die zitierten Passagen sind zum Teil Mitschnitte von gemeinsamen Arbeiten wie auch weiterentwickelte Audiosequenzen aus anderen, inhaltlich in Zusammenhang stehenden Aufnahmen.
Im Zentrum steht die von Werner Schroeter oft in seiner Theaterarbeit verwendete und zitierte BenedictusPassage aus Beethovens Missa Solemnis in der Interpretation von Mischa Mischakoff (Solo-Violine), NBC Symphony Orchestra und Arturo Toscanini (Dirigent) aus dem Jahr 1940.
Die Monolog-Passagen aus diversen Interviews der Jahre 2006–2009 mit Werner Schroeter sind Aussagen zu seiner künstlerischen Grundhaltung und werden in Bezug gesetzt zu den jeweiligen Audio-Passagen. Klanginstallation I – IV stellt einen heutigen Blick auf die gemeinsame Musiktheater-Arbeit dar und entwickelt den damaligen Ansatz weiter zu einem eigenständigen Werk.
Werner Schroeters Fotoarbeiten von 1973 bis 2009
Bislang kaum bekannt ist, dass der Regisseur Werner Schroeter seit Beginn seiner künstlerischen Arbeit unablässig fotografierte. Anders als Regisseure, die fotografieren, um Orte, Szenen oder Menschen für ihr Projekt „festzuhalten" oder „auszuprobieren", sind die Fotografien Schroeters eigenständige Werke. Landschaftsaufnahmen, Stillleben, und doch zumeist psychologisch interessierte Porträts der Menschen, mit denen er arbeitet, wie Isabelle Huppert. Die Bilder entstanden meist zufällig, wie nebenbei, mit vorhandenem Licht, in der aktuellen Umgebung. Meist arbeitete Schroeter dabei mit Kleinbildkameras, mit Polaroid, Minox und sogar Wegwerfkameras.
Allen Fotografien ist eine suggestive Aura eigen, ein starkes Gespür für psychologische Dramaturgie. Darin zeigt Schroeter eine ähnlich ausgeprägte Sensibilität für Komposition und das Spiel mit Emotionen, wie sie einst der junge Stanley Kubrick als Fotograf bewies, bevor er Filmemacher wurde. Schroeter firmiert als „einer der letzten großen Melodramatiker des europäischen Kinos". Seine intensive künstlerische Bildsprache, die selbst im Film stets das Einzelbild im Blick hat, lässt ihn als „Bildmacher" neben anderen deutschen Filmemachern wie Wim Wenders oder vorher Fassbinder hervortreten, die, jeder auf seine Weise, Elogen der Narrativität vertraten.
Die meisten Fotoarbeiten Schroeters ab 1973 wurden dank der intensiven Recherche des Kunsthändlers Christian Holzfuss, einem langjährigen Freund Schroeters, der seit 2004 dokumentarisch erfasst. Die erste Ausstellungsstation der Fotografien Schroeters bildete das Haus am Lützowplatz Berlin, wo 2009/2010 eine Auswahl nach Schroeters Vorgaben stark vergrößerter Werke gezeigt wurde. (Text: Alexandra von Stosch)