Und wenn es ein Mörder gewesen wäre?
Dann wäre ich der Mörder nach seinem Mord gewesen. Ich hätte die Gewissensbisse eines Mörders gehabt.
Und warum wollten Sie Psychiater werden?
In dem Hotel meiner Mama lebte ein Mädchen mit Sprachstörung, das meine Gesellschaft suchte, weil sie das Gefühl hatte, dass ich sie gut verstehen würde. Man musste sehr genau hinhören, um zu verstehen, wie reich ihre Fantasie war. Ich dachte, Arzt von gestörten Menschen zu werden, wäre etwas Gutes für mich. In gewisser Hinsicht braucht man das beim Filmemachen auch, weil man mit vielen verschiedenen Menschen zusammenkommt und viel Geduld braucht, um mit ihnen auszukommen.
Was inspiriert Sie, eine Geschichte zu schreiben?
Ich glaube, immer denselben Film mit Variationen gemacht zu haben. Ich habe Filme gedreht über das Verhältnis von Vater, Mutter, Sohn oder Tochter, das durch Diktatur, soziale Probleme oder Krieg bedroht wurde. Das ist der Kern der meisten Geschichten.
Schreiben Sie das Drehbuch allein?
Das habe ich fast immer allein gemacht, oft auf der Buchgrundlage von einem Schriftsteller. Dann habe ich die Texte und die Szenen selbst konzipiert und sie einerseits in einem Buch zusammengefasst, damit das Team wusste, was es zu tun hatte, andererseits mit verschiedenen Materialien, Skizzen, Zeichnungen etc. vermittelt.
Wie dick ist so ein Drehbuch?
Es ist nicht immer ein dicker Wälzer. Im Durchschnitt sind meine Drehbücher 90-100 Seiten dick. Das bedeutet in Drehzeit etwa 100 Minuten Film. Diese Drehbücher werden an die Mitarbeiter, an die Schauspieler, Garderobiere, Kameramann verteilt. Ich bitte sie immer, mir möglichst viele Veränderungsvorschläge zu machen.
Sie waren zehn, als der Zweite Weltkrieg begann. Haben Sie auch Filme über den Krieg gedreht?
Als ich schon wieder viele Jahre in Deutschland war, habe ich den Film David gedreht, der von einem Jungen handelt, dem die Flucht vor den Nazis gelingt, dessen Familie jedoch deportiert wird.
Machen Sie auch Fantasy-Filme?
In dem Film Wassermann. Der singende Hund finden sehr fantastische Ereignisse statt, zum Beispiel ein Hund, der singt. Es ist aber kein Fantasy-Film. Ich drehe mehr sozialkritische Filme, auch wenn die Produzenten oft sagen: „Die Geschichte ist ja ganz schön, aber damit verdienen wir nichts.“
...und das sagen die Schüler...
Stefan: Ich fand es sehr gut, mit jemandem sehr Professionellen zusammenzuarbeiten. Es war auch gut, den Film anzuschauen, damit wir sehen, was er gemacht hat. Ich werde auch nicht vergessen, wie wir auf der Bühne gestanden und die Fragen beantwortet haben. Den letzten Tag fand ich schön, weil wir sehen konnten, wie Peter Lilienthal seine Filme vorbereitet. Ich werde bei meinem nächsten Film daran denken, dass wir vorher etwas aufmalen und Texte überlegen.
Perikles: Ich fand alles sehr interessant, vor allem wie Peter Lilienthal arbeitet und für seine Filme recherchiert. Das war ein Erlebnis, das in Erinnerung bleibt. Besonders, weil wir das Komitee von Herrn Lilienthal sein durften, vorn an der Bühne standen und die Fragen vom Publikum beantwortet haben. Zuletzt seine Zeichnungen…ich hätte nie gedacht, das man vor dem Film die Bilder aufzeichnet! Einen Regisseur trifft man nicht alle Tage, vor allem keinen, der schon 50 Filme in 14 verschiedenen Ländern gedreht hat. Er hat uns wie normale Menschen behandelt, nicht so wie kleine Kinder.
Vinzenz: Ich fand es toll, dass wir nicht nur das Thema Filme bearbeitet haben, sondern auch wie man die Welt besser machen könnte. Es hat mich fasziniert, wie viele Filme er schon gemacht hat. Ich fand es toll, dass er sich so gut erkundigt, bevor er einen Film dreht und dass er die Schauspieler vor Ort nimmt, obwohl es eigentlich keine Schauspieler sind.
Carla: Ich habe einige erstaunliche Einblicke in Peter Lilienthals Arbeitsweise erhalten z.B. wie seine Aussage, er mache immer den gleichen Film, die ich anfangs etwas verwirrend fand, zu interpretieren ist: Er nimmt immer dasselbe Thema; eine Familie, deren Zusammenhalt durch äußere Einflüsse bedroht ist und stellt diese Situation vor verschiedenen Hintergründen dar.
Fotos: Christiane Lötsch