29. September 2009 -- Eberhard Blum und Schüler des Arndt-Gymnasiums Berlin-Zehlendorf
"Ich stelle mir negative Regeln auf."
Eberhard Blum, Bildender Künstler und Musiker, hatte Stationen mit Zeichnungen und Collagen im Clubraum der Akademie der Künste ausgelegt, an denen 16 Schüler des Arndt-Gymnasiums aus Berlin halt machen konnten. In einem zweiten Teil der Begegnung präsentierte und interpretierte er für die Teilnehmer die
Ursonate von Kurt Schwitters und
Meditation no. 1 von Emmett Williams.
Welches Material benutzen Sie?
Mein Handwerkszeug, mein Material, sind alle Arten von Papier, Karton; sei es farbig, weiß, mit rauer oder glatter Oberfläche, groß, klein – alle Möglichkeiten, die es da so gibt. Ich lasse mich vom Papier überraschen, ich mache Experimente. Ich male nicht mit Ölfarben, sondern mit den 120 Farbstiften von Faber-Castell oder mit Bleistiften verschiedener Härtegrade. Ich kaufe farbigen Karton, den ich auf das Blatt klebe, denn der Karton hat eine ganz andere Oberfläche als das Originalpapier oder als dass, was ich direkt auf das Originalpapier aufzeichne. Wenn ich dann die aufgeklebten farbigen Teile auf farbiges Papier klebe, erweitere ich meine Palette und die Möglichkeiten der Farbkonstruktion.
Was ist Ihr System?
Ich stelle mir negative Regeln auf und versuche rechte Winkel und parallele Linien zu vermeiden, alles soll eine andere Form haben. Vorher suche ich aus, welche Farben und welchen Karton ich benutze und dann fange ich an, aus der Mitte heraus langsam etwas aufzukleben, Zwischenräume auszufüllen.
So entsteht in mühsamer Kleinarbeit ein Bild. Mich interessieren keine Porträts oder Landschaften, sondern die Zeichen und Strukturen, die Sie in jeder Stadt z.B. an den Hauswänden sehen können.
Was unterscheidet die Musik von der Bildenden Kunst?
Das ist der Faktor Zeit. Musik nimmt Zeit in Anspruch, während die Bildende Kunst dieses Problem nicht hat. Meine Zeichnungen sind eine Art
Etude. Bei einer meiner Zeichnungs-Reihen steht die Zahl 5 immer in der Mitte. Rechts und links davon stehen die Zahlen 1-9. Der Farbablauf ist immer von links nach rechts, aber die Farben gehen immer einen Schritt weiter. Hier soll dem betrachtenden Auge vermittelt werden, dass etwas Zeitliches statt findet. Malen im traditionellen Sinne interessiert mich nicht. In Kunst hatte ich immer ein 5, da habe ich entschieden, das lasse ich nicht zu. In Musik hatte ich eine 4, da habe ich entschieden, ich werde Musiker!
Was gefällt dem Betrachter?
Es gibt in meinen Bildern keinen Blickfang. Ich versuche, die gesamte Fläche gleichmäßig zu gestalten, so dass das Auge nicht gelenkt wird. Das ist ein Einfluss, den ich aus der amerikanischen
Overall Malerei habe, z.B. Jackson Pollock. Das sind riesige Bilder, die mit allen möglichen Strukturen gefüllt sind und zunächst ganz wirr aussehen. Wenn man aber länger hinguckt, ergibt sich eine Landschaft.
Vielleicht gefällt dem Betrachter die Unmenge von Dingen, die man entschlüsseln kann. In meinen Bildern entsteht eine Landschaft, die auf das Auge wirkt und den Betrachter nicht festlegt. Man kann alles damit sehen.
Das ist eine Ruhe, die durch die Bewegung zustande kommt.
Da stimme ich Ihnen vollkommen zu!
...und das sagen die Schüler...
- Eberhard Blum versucht, Bildende Kunst und Musik zu verbinden und die Interpretationsmöglichkeiten vom Musikalischen auf die Kunst zu übertragen. Man kann aus dem Bild heraus interpretieren, was er versucht zu übermitteln. Er gibt etwas vor, was man erkennen kann und gleichzeitig gibt er einen Spielraum in seinen Bildern, so dass es einem selbst überlassen bleibt, wie und was man interpretiert.
- Die Begegnung war eine super Inspiration für meine berufliche Zukunft – ich werde Querflöte studieren und möchte ein sehr modernes Stück für meine Aufnahmeprüfung nehmen. Ich habe einen super Eindruck von einem Interpreten zeitgenössischer Stücke bekommen.
- Ich fand es überaus interessant, was Eberhard Blum über seinen Schaffensprozess erzählt hat. Besonders beeindruckend fand ich die Nähe zur Natur in seinen abstrakten Werken.
Fotos: Christiane Lötsch