Wollten Sie nie zurück nach Damaskus?
Doch, ich wollte zurück zu meiner Familie, zu meinen Freunden, doch ein sehr lieber Freund hat mir mit Tränen in den Augen gesagt, dass ich in Berlin mehr für meine Heimat tun kann als zu Hause. Das war ein Glück. Berlin ist mehr oder weniger Nordeuropa: die Kopflastigkeit im Denken, in der Sprache, die Melancholie – ganz anders als der Orient, den ich in mir trage. So entstand eine Polarität, eine Spannung, die für mich sehr wichtig war.
Wie würden Sie Ihre Malerei charakterisieren?
Mein erstes Bild - eine Landschaft mit Minarett, ein Dorf nach der Ernte - zeigt meine Verliebtheit in die Malerei und die intuitive Aufteilung vom Bild. Ein Bild bedeutet nicht nur Malerei, sondern auch Ordnung, es hat eine gewisse Architektur, zum Beispiel durch Achsen. Diese Ordnung passiert intuitiv.
Ich konzentriere mich beim Malen auf die Details, die mich interessieren. Das sind „poetische Augenblicke“: zwei Freundinnen, die sich umarmen, Bäume, Häuser, die aussehen, als ob sie in den Himmel gepflanzt sind, schwarze Raben aus Sibirien. Das sind Bilder, die ich zufällig von Außen beobachte und die in mir arbeiten. Wenn ich ein Fenster sehe, will ich das Fenster nicht realistisch abmalen, sondern ich fälle eine freie Entscheidung, wie mein Fenster aussehen soll. Von wo kommt das Licht? Welche Linien zeichne ich? Welche Details sind wichtig? Welche Kulisse ist im Hintergrund?
Wie unterscheidet sich die Arbeit von einem Maler von anderen Berufen?
Der Maler wiederholt sich, das heißt, er befindet sich in einem Strudel, der immer weiter geht. Es gibt neue Erkenntnisse, er geht weiter, er arbeitet mit Lust und Glaubwürdigkeit. Man ist nicht nur Handwerker oder Schuster, der seinen Beruf ewig machen kann; ein Bild muss glaubwürdig sein. Der Zuschauer weiß beim Betrachten, ob das Bild glaubwürdig oder nicht ist.
Was lösen die Bilder beim Betrachter aus?
Manchmal kommen Menschen nach sehr langer Zeit auf mich zu und sagen mir, dass meine Bilder ihnen Frieden, Hoffnung, Glück, Trost gespendet haben. Meine Bilder brauchen Zeit, das heißt, ich muss authentisch für mich selbst sein. Wenn du nur für jemand anderes malst, verrätst du dich.
…und das sagen die SchülerInnen hinterher…
- Marwan steht für eine ganz andere Kunstrichtung als die, die ich bis jetzt kennen gelernt habe: er malt abstrakt, seine Bilder stehen manchmal auf dem Kopf, man kann den Einfluss seiner Kreativität auf die Bilder erkennen. Er macht sich seine Gedanken, die auf dem Bild zu sehen sind. Sie wirken erst chaotisch, ergeben aber trotzdem einen Sinn im Bild.
- Er benutzt Spiegel zum Arbeiten, damit er sich sicherer ist. Er malt ein Bild öfter, fotografiert es, um die Veränderungen zu sehen. Ein Satz von ihm ist mir in Erinnerung geblieben: „Ein unfertiges Bild ist auch ein fertiges Bild.“ Das finde ich gut, man kann ein Bild immer wieder verändern und neu fertig machen.
- Es war ganz anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich fand Marwan sehr interessant, hinter jedem Bild steckt eine Geschichte, das fand ich schön. Auch wie er die Entwicklung eines Bildes dokumentiert hat und 50-60 Fotos davon gemacht hat!
- Ich stelle mir jetzt immer die Geschichten hinter dem Bild vor, wenn ich ein Bild von Marwan im Museum sehe. Ich fand es schön, dass er uns ermutigt hat, weiter zu malen und auch nicht zu verzweifeln, wenn man mal keine gute Phase hat.
Fotos: Pit Koschitzky und Christiane Lötsch