Wie arbeitet ein Komponist? Woher nimmt er seine Inspiration?
„Komponieren hat für mich nichts damit zu tun, wie ich das Vogelgezwitscher aus dem Park in Musik umsetzen kann. Für mich ist es ein sehr rationaler und mathematischer Prozess. Ich kombiniere Frequenz, Rhythmus, Dynamik und Färbung des Tons.“
Dann wird es aber doch poetisch, denn Globokar beschreibt, wie er zunächst ohne Instrument nach Worten sucht, eine Geschichte schreibt, ein Bild entwirft, bevor er nach der musikalischen Technik sucht, um sein Thema umzusetzen. „Dafür muss ich alles vergessen, was ich jemals vorher geschrieben habe.“
Doch die Worte sollen von den Zuhörern nicht verstanden werden, der Text ein Rätsel bleiben. „Zuerst suche ich nach Schlüsselwörtern, die ich aus den fünf Sprachen, die ich spreche, aussuche. Dann zerlege ich sie in Silben und kombiniere sie untereinander. Manchmal arbeite ich auch nur mit Verben oder mit Adjektiven. Das ergibt eine Poesie, die nur für mich einen Sinn ergibt.“
Als Globokar Ausschnitte aus seinem Stück DIALOG ÜBER LUFT für Akkordeon vorspielt, stellen die Schüler fest, wie wenig das Gehörte mit der klassischen Musik und mit allem, was sie jemals gehört haben, zu tun hat. Schreie, Stöhnen, Laute, unverständliche Sprachfetzen und ein wild gewordenes Akkordeon überraschen die Schüler.
Wie sieht eine Partitur aus, die eine solche Musik beschreibt?
Globokar zeigt die Notenblätter zu seinem aktuellen Projekt „Radiographie d’un roman“, das 2010 auf dem Festival Donaueschingen uraufgeführt werden soll. Geometrisch angeordnete Notenrechtecke und Linienverläufe, die aussehen wie der Daxindex sind akkurat aufgeklebt. Auch eine Anleitung, wie die Stimmen, Töne, Laute und Sprachfetzen einzusetzen sind, ist darauf notiert.
Und auf der Bühne? Was ist das für ein Gefühl vor einem Publikum zu stehen?
Als Mitbegründer der Gruppe für Improvisation „New Phonic Art“ berichtet Globokar von seinen Erfahrungen. Beim ersten Auftritt der Gruppe wären alle so aufgeregt gewesen, dass sich die Musiker in einem Kreis aufgestellt und gespielt hätten. „Das war natürlich fatal, denn die Musik konnte nicht aus dem Kreis heraus kommen! Wir haben uns so gestritten, dass wir uns mit Sicherheit aufgelöst hätten, wenn es nicht schon ein zweites Engagement gegeben hätte.“ lacht er. Dann kam eine Phase, in der einfach jeder das Instrument spielte, das ihm gefiel und schließlich spielte die Gruppe auf der Bühne gar nichts mehr. „Wenn man als Improvisationsmusiker keine originelle Idee hat, bleibt man am besten stumm.“, erklärt Globokar. So fing das Publikum an zu reagieren und das Musiktheater war geboren. „Totales Desaster und tiefe Freude – das alles ist möglich bei einem Improvisationskonzert.“
…und das sagen die SchülerInnen hinterher…
- Es war ganz überraschend, zeitgenössische Musik zu hören, auch wenn ich sie eigentlich nicht mag. Das hat mich zum Nachdenken darüber gebracht, warum jemand solche Musik komponiert.
- Mir hat am besten gefallen, dass Vinko Globokar Texte erfindet, die niemand versteht.
- Ohne seine Erklärungen hätte ich die Musik, die er macht, nicht verstanden. Aber wenn sie dazu dient, aus dem gewöhnlichen Rahmen herauszutreten, dann finde ich das gut!
Fotos: Christiane Lötsch