„Ich habe nicht in dieser Zeit gelebt, aber durch die Archivsequenzen in schwarz-weiß konnte ich einen Bezug herstellen. Die Popmusik aus dieser Zeit, die unter die Archivsequenzen gelegt war, fand ich witzig; das hat gezeigt, wie sinnlos der Krieg und die Politik waren. Die Kriegsszenen waren grauenvoll; zusammen mit der Musik bekamen sie eine Absurdität, das fand ich sehr gut.“
„Man merkt das Interesse, das Andres Veiel an den Menschen hat. Der Film wirkt sehr menschlich, er hat wohl sehr viel über die Personen nachgedacht. Manche Fragen sind offen geblieben, ich habe versucht, sie zu verstehen, aber man kann nicht immer alles verstehen. Eigentlich müsste ich den Film mit dem ganzen Hintergrundwissen noch einmal sehen. Auf diese Weise geht der Zuschauer aus dem Kino und überlegt selbst noch einmal.“
„Im Gegensatz zum Film Der Baader-Meinhof-Komplex (Uli Edel, 2008) zeigt Wer wenn nicht wir die zwischenmenschlichen Beziehungen und das, was die Geschichte mit den Menschen macht. Es ging nicht um die exakten, actionreichen Fakten, sondern um die Fragen: Welche Menschen stehen dahinter und was genau ist mit denen passiert? Deswegen bin ich gut im Film mitgekommen; die Geschichte stand an zweiter Stelle, die Menschen an erster.“
„Bei mir lag die Irritation darin, dass ganz viele Themen angeschnitten, aber nie bis zum Ende erzählt wurden. Vieles blieb offen, in der Schwebe. Immer wenn die Geschichte an einen Punkt ankam, wurde sie wieder unklar. Der Film hört da auf, wo man denkt „hier geht es zu weit, hier ist Schluss“.
„Durch die Methode, dass die Szenen angeschnitten wurden, stand für mich die RAF gar nicht im Vordergrund, sondern die Frage, was dieses Gefühl des Aufbegehrens mit uns heute macht? Handeln, Aufbrechen, etwas tun, nicht nur dasitzen – was können wir heute machen?“
Andres Veiel über seinen Film
„Der Film hat mit meiner eigenen Geschichte zu tun. Ich bin in Stuttgart in einem Vorort aufgewachsen. Da gab es eine große Angst vor Unberechenbarkeiten. Der Sprengstoff der RAF hat für mich eine sinnbildliche Kraft, diese Enge aufzuknacken.Die RAF war wie ein Gegenentwurf und hatte diesen Impetus „Die tun was, die riskieren etwas, im Gegensatz zu vielen anderen, die nur reden.“
„Mein Wunsch war es, Ensslin, Vesper, Baader nicht als ungebrochene Helden zu zeigen, die blind zur Identifikation einladen, sondern deutlich zu machen, dass das Menschen waren, die Abgründe haben und sich an einem bestimmten Punkt verirren.“
„Die Schauspieler sollten eine Zeit übersetzen, die sie selbst nicht kennen. Der größte Fehler wäre es, wenn man sie heute eins zu eins diese Texte sprechen lässt, das wirkt wie im Museum. Für mich war klar, dass ich Schauspieler brauche, die Talent haben, d.h. sie müssen denken können, was sie sprechen.“
„Szenenbild, Raumgestaltung, Schauspielführung - alle Elemente haben auch etwas mit der Erzählung zu tun. Als Dokumentarfilmer arbeite ich mit dem, was ich vorfinde, als Spielfilmregisseur entscheide ich selbst bis ins feinste Detail: Mit welcher Schreibmaschine schreibt Bernward Vesper? Benutzt er die alte Maschine seines Vaters? Bis hin zum Kostüm: Wann trägt Gudrun Ensslin das erste Mal einen Minirock, wann eine Hose? Das sind alles Entscheidungen, die etwas vom Charakter der Figur erzählen.
„Ich habe immer Fragen an die Figur und entwickle eine Neugierde auf einen Lebenslauf. Für mich ist Voraussetzung, dass ich ganz wenig weiß. Ich will Belohnungen haben. Meine eigenen Fragen sind der Motor dafür, Leute aufzusuchen, neue Quellen zu suchen. Es ist nicht so, dass ich etwas lese, mich dann zurückziehe und aus meiner Fantasie heraus schreibe. Ich befinde mich auf einer Forschungsreise, ich will etwas begreifen, ich will verstehen, was treibt die an, warum sind die so und was hat das mit mir zu tun? Manchmal ist es auch so, dass ich einen Film über Andere mache, der doch mit mir oder meinen Fragen zu tun hat.
„Es gibt immer einen Moment, ab dem weiß ich, „jetzt musst du es machen!“. Das ist wichtig, weil es immer viele Hürden und Widerstände bei einem Projekt gibt. Wenn ich nicht wüsste, was mich daran interessiert, würde ich nachgeben, um den Druck loszuwerden. Ich muss mich immer wieder erinnern, warum ich die Geschichte genau so erzählen wollte. Ich beantworte nicht alle Fragen, es bleibt ein Rest; ich kreise ein und hoffe, dass die Zuschauer selbst weiter fragen. Meine dokumentarische Erfahrung sagt, dass das Leben viel komplizierter ist als die meisten Filmdramaturgien es vermitteln. Ich nenne das den „dokumentarischen Rest“.
Fotos: Christiane Lötsch