1982
Hans Vent
Der Maler und Grafiker Hans Vent wird von seinem Vater, dem Maler Rudolf Vent, bereits als Kind für malerische Prozesse sensibilisiert. Während des Studiums an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, geben Toni Mau, Kurt Robbel, Bert Heller und Gabriele Mucchi wichtige Impulse. Zentrales Motiv seiner Gemälde und Zeichnungen ist die menschliche Figur, die einzeln oder in Gruppen zu poetischen Bildern des Lebens angeordnet sind. „Das ist kein Programm“, sagt Vent 1980, „eher ein Ergebnis oder eine Erkenntnis, dass ich in der Darstellung des Menschen im weitesten Sinne die einzigen mir möglichen malerischen Formulierungen gefunden habe“. Er vertritt in seinem Werk wie in seinem Leben stets kritische Gegenpositionen zu den wechselnden politischen Systemen.
„Wir sind bei weitem nicht am Ende der Kunst, aber ihr wie auch immer gerichteter Ablauf ist zu einem Ende gekommen, die Abfolge künstlerischer Revolutionen ist vorbei. Allerdings bleiben deren Ergebnisse der Maßstab unseres Tuns.“
Textbeiträge zur Preisverleihung
„Vents Gestaltungskraft vermag in diesen zuweilen auch satirisch akzentuierten Bildern eine Konzentration zu erreichen, die menschliche Verhaltensweisen des Zufälligen enthebt und gesellschaftliche Bezüge darlegt.“ (Auszug Begründung)
Die Sektion Bildende Kunst schlägt den Maler Hans Vent zur Auszeichnung mit dem Käthe-Kollwitz-Preis 1982 vor.
Seit langem findet Hans Vents Schaffen große Beachtung. Die malerische Sensibilität seiner Werke hat besonders in einem Grundmotiv ihren prägnanten Ausdruck erreicht, das der Künstler kontinuierlich vielfältig variiert: Menschen am Strand.
„In diesen Figuren- und Gruppenbildern ist der Mensch in seiner Zuständlichkeit vor den Horizont des Meeres gestellt, er wird zum Bindeglied zwischen Erde, Strand und Himmel“ (Angelika Förster).
Die reale Situation wird zum Symbol menschlichen Zusammenlebens. Vents Gestaltungskraft vermag in diesen zuweilen auch satirisch akzentuierten Bildern eine Konzentration zu erreichen, die menschliche Verhaltensweisen des Zufälligen enthebt und gesellschaftliche Bezüge darlegt. Besonders im Wandbild für den Palast der Republik in Berlin wird eine Strandszene zu einem poetischen Bild des Lebens erhoben. Der Einklang der Menschen untereinander und mit der Natur, das Streben nach Harmonie drückt sich in Komposition und Farbigkeit aus. Farbige Subtilität und Ausgewogenheit des Bildaufbaus entsprechen diesem Verlangen. Vents Strandbilder meiden jedoch idyllische Glätte. Die Realität in ihrer Widersprüchlichkeit ist stets das Fundament seiner Darstellung. Die Porträts des Künstlers suchen Typisches zu erfassen und fügen sich den Strandbildern paraphrasierend an. Vents malerische Entwicklung hat zu einer Qualität geführt, die seinem Werk einen bedeutenden Platz in der Kunst unseres Landes zuweist. Sein eigenständiger Beitrag zur realistischen Wandmalerei ist besonders hervorhebenswert.
Die vorgeschlagene Auszeichnung mit dem Käthe-Kollwitz-Preis der Akademie der Künste der DDR würdigt ein Schaffen, dessen humanistische Position jenem „Wirken in dieser Zeit“ entspricht, das nach der Überzeugung von Käthe Kollwitz die Aufgabe künstlerischer Arbeit ist.
Laudatio von P. Feist und Hilmar Frank anlässlich der Verleihung des Käthe-Kollwitz-Preises 1982:
Der Maler und Grafiker Hans Vent, so könnte man mit einer Übertreibung sagen, die viel Wahrheit einschließt, ist aus dem kleinen, wenngleich stabilen Kreis der Verehrer seiner Kunst erst 1975 mit dem großen Bild im Palast der Republik herausgetreten. Eine Würdigung der künstlerischen Arbeit Hans Vents muss auch heute dies Bild der Badenden am Strand in den Mittelpunkt stellen. Es hat erst begonnen, seine anregende und provozierende Kraft zu entfalten.
Keiner der an der Galerie im Palast beteiligten Maler hat eine so enge Verbindung von Wandbild und Tafelbild, von öffentlicher Darlegung und persönlichem Bekenntnis angestrebt; keiner hat sich so rückhaltlos den kontradiktorischen Erfordernissen ausgesetzt, die hieraus entstehen. Schieben wir von vornherein die Konvenienzen des Offiziellen als unwesentlich beiseite, so ist der Öffentlichkeit doch immer an prägnanten Formulierungen gelegen, höchsten Kurswert hat das allseitig Bestimmte, das Greifbare, – das womöglich rasch als Endgültiges genommen und mitgenommen wird. Diese Sicherheit aber kann das individuelle Bekenntnis nicht bieten, allzu gegenwärtig bleibt die Erfahrung von der Bedingtheit der Kräfte, von der Standortgebundenheit des Einzelnen. Nicht die Antwort ist hier allein das Wesentliche; sondern der Prozess, der sie vorbereitet und ermöglicht, tritt unübersehbar hinzu. Der Geschichte steht die Autobiografie entgegen, der Situation das Atmosphärische, dem Dokumentarischen das Lyrische, der Feststellung die Erwägung, der Theorie die Erfahrung. Nicht die Ideen sind dieser Malerei greifbar, sondern die Natur. Und statt des Resultats dominiert die Frage.
Hans Vents mutiges Unternehmen hat festgefahrene Erwartungen wieder in Bewegung gebracht, vermeintliche Sicherheiten in Frage gestellt. Er hat uns vor Augen geführt, dass es höchst produktiv ist, die Widersprüche von Wand- und Tafelbild als wechselseitige Angewiesenheit zu begreifen. Vent geht davon aus, dass Kunst nicht vom Vermeiden, nicht von der Selbstverleugnung lebt, wohl aber vom Fragen, und von dem vielleicht zögernden, vielleicht spröden, endlich aber umso gewissenhafteren Festhalten der errungenen Haltung.
Die Erfahrungen seiner sensiblen Malerei hat Vent ohne Verlust auf das Wandbild übertragen. Seine Stimme, da sie sich an viele wendet, ist stärker geworden und dieselbe geblieben. Er hat den spontanen Naturlauf hinübergerettet in die endgültige Formulierung. Gerade die festgehaltene Erfahrungsnähe sichert der großen Form Leben und Bedeutung: lebendige Bedeutung und bedeutendes Leben. Der Grundbestand des Bildes, der umschrieben werden kann als die Schönheit eines klaren Sommertages, gesehen von einem erschütterten Menschen, öffnet sich dem Dialog und ist bei aller Offenheit doch von der nötigen Entschiedenheit, um dem Gespräch eine Richtung, eine Perspektive zu geben. Glück und Tragik des Einzelnen, Glück und Gefährdung der Menschheit: die Alternative unserer Epoche, dieser Gehalt des Bildes ist ganz der polar angelegten Komposition eingeborgen, der hell aufrauschenden und doch verschatteten Farbe.
Da wir alles durch die Sinne aufnehmen, da unser Tun und Lassen immer in Beziehung steht zur sinnlichen Erscheinungsweise der menschlichen Gestalt, kann eine Kunst hohen geistigen Anspruchs ohne jegliche Illustration und Emblematik auskommen, völlig auf das Körperliche sich konzentrieren. Die Grundfragen menschlichen Lebens sind immer übersetzbar in Figur, Haltung, körperliche Aktion. Auch hierin, im Zentrum der bildnerischen Aufgabe, hat sich Vent bewährt. Vor allem aber in seinem Gestus der Mitteilung, für den es keine Grenze gibt, die das, was den Einzelnen bewegt, von dem trennt, was die Gesellschaft als Ganzes angeht, erweist sich Vents Bild als ein sozialistisches Werk, als ein Werk, das eine höhere Form menschlicher Gemeinsamkeit vorbereitet. Kein besserer Platz ist daher denkbar als im großen Volkshaus unserer Stadt und unseres Staates. Dieses Bild ist ein Vorbegriff; es verpflichtet jeden, der sich ihm stellt, die unbedingte Wechselbewegung von Individuellem und Allgemeinem als Puls des gesellschaftlichen Lebens anzuerkennen. So steht es mit seiner innersten Substanz in einer Tradition, die mit der Lebensleistung der Käthe Kollwitz, der Vereinigung von Mütterlichkeit und Weltgewissen, präzis bezeichnet wird. Es hat die eingefahrenen Schemata, die eine Hierarchie der Kommunikation bilden und ein Regelwerk, das auf den oberen Rängen nur Themen zulässt, die deklarativ abgehandelt werden können, beispielhaft durchbrochen. Es hat unsere Begriffe von einem Wandbild bereichert und zugleich verändert. Es tritt uns nichtmehr didaktisch gegenüber, es imponiert nicht mit Aplomb, sondern dient der Selbstfindung des gesellschaftlichen Subjekts, das sich – endlich – als Selbstzweck begreift.
Diese Leistung des 1934 Geborenen ist nicht denkbar ohne sein Studium an der Kunsthochschule Berlin bei Toni Mau, Kurt Robbel, Bert Haller und Gabriele Mucchi, ohne die großen Aufträge, die er zuvor ausführen durfte: 1958/59 gemeinsam mit Ronald Paris und Rolf Schubert das Wandbild Arbeit und Freizeit im VEB Sternradio, 1966/67 gemeinsam mit Horst Zickelbein das Wandbild Poetische Version des Kosmos in der Gaststätte Storkower Straße, wo sich bereits der Sinn für das Malerische lebhaft ausspricht, und viele andere. In neuester Zeit kommt der Theatervorhang für den Pionierpalast hinzu. Vor allem aber ist diese Leistung nicht denkbar – und diese Voraussetzungen hätten an den Anfang gehört – ohne Geradheid, Naivität, eine intensive Naturbeziehung, kurz all das, was von Vater und Mutter stammt und keine Schule liefern kann.
Es gibt wenige Maler, deren Werk so ganz aus der Farbe erwächst wie bei Hans Vent. Das ist immer ein Glücksfall in der neueren deutschen Tradition, und wir haben Grund, uns darüber zu freuen, ausdrücklich darauf hinzuweisen und alles zu tun, um dieser Kunstauffassung größere Geltung zu verschaffen. Peter von Cornelius überließ die Farbgebung seiner Kartons den mit ihrer Übertragung auf die Wand betrauten Schülern. Dahinter stand ein idealistisches Weltmodell, das die menschliche Gestalt nur als Abdruck einer außerweltlichen Idee begreifen konnte, als Abdruck in der formlosen und passiven Materie, als Erdenkloß. Die Farbe war diesem Konzept das Nicht-Kalkulierbare, das nur die wenig geschätzten Sinne Ansprechende, das, wobei man sich nichts denken konnte. „Jede Form, sie kommt von oben“ (Goethe), war die bündig angesprochene Überzeugung. Und was nicht diesen höheren Stempel trug, der den akademischen Drill kurzschlüssig mit der sittlichen Weltordnung verband, konnte vernachlässigt werden, war eine Zugabe. Das Glück des Seins war dieser Doktrin nur darzustellen als erhabene klassizistische Idylle, als ein Götterleben jenseits der Bedingungen realer menschlicher Existenz. Das war erbaulich, aber doch eigentlich nicht nachfühlbar. Wir sprechen hier davon, weil die Schatten dieser Konzeption bis in unsere Gegenwart reichen. Die Würde elementaren menschlichen Lebens in einer farbigen, vom Licht durchströmten und durchwärmten Welt, die kein autoritatives Jenseits mehr kennt und die – Selbstverständlich – vielseitig bedingt ist, die den Tod kennt, wurde erst mit den Fortschritten der Landschaftsmalerei darstellbar, – einer niederen Gattung, die sich dem klassizistischen Diktat nie recht beugen wollte. Der schräg für einen Augenblick in die dunkle Zypressenallee einfallende Sonnenstrahl auf Blechens Villa d'Este, der nur sich selbst bedeutet, hat nichts von seiner Leuchtkraft verloren. Und er ist für Vent, der seine Gestalten landschaftlich auffasst, weit wichtiger als eine Lehre vom Typischen, die, unbewusst in der klassizistischen Tradition verharrend, das Wünschbare dreist mit dem Gesetzlichen verwechselt. Nicht zuletzt aus Protest gegen diese Vermengung sind viele Gouachen von Vent entstanden, die Einverständnis mit dem Natürlichen bezeugen, gerade dort, wo es von Norm, modischer Regel oder Durchschnitt abweicht.
Hans Vent hat den Mut gehabt, ein Werk an die Öffentlichkeit zu richten, dessen Ausstrahlung und Konsequenz nicht leicht, ohne Interesse und Vertiefung, aber überhaupt nicht ab- und einschätzbar sind. Er hat Missverständnisse riskiert und die wohltuende Gelassenheit bewiesen, die in unseren Diskussionen so oft fehlt. Seine Malerei bildet in der Kunst unseres Landes einen wichtigen Akzent.
Die Akademie hat in ihrer Ausstellung zum 30. Jahrestag der DDR Arbeiten von Hans Vent gezeigt, sie ehrt ihn heute mit dem Käthe-Kollwitz-Preis.