Samstag, 26.09.

Hanseatenweg, Kleines Parkett

19:00 – 21:00 Uhr
05 Konzert: DEGEM Konzert

Werke von Mitgliedern der Deutschen Gesellschaft für Elektroakustische Musik (Jury: Bartetzki / Karman). Matthias Bauer, Kontrabass; Séverine Ballon, Violoncello. Grüßwort: Joachim Heintz

 

Ralf Hoyer, Studie 4 (1980) für Kontrabass und Tonband, 16 min. Matthias Bauer, Kontrabass.

Clemens von Reusner, TOPOS CONCRETE (2014), 8-kanal-Tonband, 10 min.

Hans Tutschku, pressure – divided (2015, UA) für Violoncello und 8-kanalige live-Elektronik, 17 min. Séverine Ballon, Violoncello.

(15 Minuten Pause)

Leo Hofmann, A. wie Albertine (2012), musikalische Choreografie für Live-Elektronik, Stimme und Gesten, 12 min.

Hanns Holger Rutz, Machinae Coelestis (2013), 5-channel tape and star projection, 16 min.

Marc Behrens, Sin and Temper (2015), Liveset mit Synthesizern und Tonbandgeräten, 15 min.

In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Elektroakustische Musik.

 

Ralf Hoyer, Studie 4 (1980)

Dieses Stück ist während meiner Meisterschüler-Zeit bei Georg Katzer in einem Tonstudio der Akademie der Künste der ehemaligen DDR in Berlin entstanden. Es basiert auf einer 43-tönigen Abfolge, die in immer unterschiedlichen Sektionen erklingt. Das musikalische Material des Tonbandes ist ausschließlich aus Kontrabaßaufnahmen gewonnen, und zwar mittels Geschwindigkeits-manipulationen, Inversionen und Überlagerungen von ca. 600 Magnetband-Schnipseln. Es standen keinerlei andere Klangquellen oder tontechnische Bearbeitungsgeräte zur Verfügung, lediglich 4 Studiobandmaschinen, Cutterschere und Klebeband.

Clemens von Reusner, TOPOS CONCRETE (2014)

Das Gebiet (gr. topos) ist eine raue und unwirtliche Landschaft mit Bergen, Tälern, Canyons und Ebenen, Sand und Steinen, obwohl es von Ferne glatt und eben erscheint. Die Farbe ist Grau. Die Fläche beträgt etwa 30 Quadratmeter. Es ist der Boden einer Garage und er besteht aus Beton (engl. concrete).

Beton ist ein Baumaterial, eine Art trockenes Pulver aus Sand, granulierten Steinen und Zement als Bindemittel - staubig, chaotisch. Vermischt mit Wasser wird Beton flexibel und fluide und in einer Metamorphose des Wasserentzugs wird er wieder trocken, fest und wiederstandsfähig in jeder gewünschten Gestalt. Die Arbeit mit einer gleichsam nativen Granularität und Flüssigkeit ebenso wie Festigkeit und unterschiedlich gestalteten Räumen waren leitende Gedanken bei der Entwicklung der Komposition.

Um erstarrten Beton höbar zu machen, wurden Objekte aus Glas, Metall, Papier, Kunststoff, Stein und Holz auf dem Boden entlanggezogen – wie ein Tonabnehmer eines Schallplattenspielers. Über Kontaktmikrophone wurden die resonanten Bewegungen der Objekte aufgezeichnet. Topos Concrete basiert auf den entstandenen Klängen mit ihren reichen akustischen Spektren und zahllosen individuellen Klanggesten und Texturen, die hier ihrerseits Baumaterial der Komposition mit den Mitteln der elektroakustischen Musik sind.

Die Dauer des Stückes und andere form- und strukturbezogene Parameter sind abgeleitet von dem Verhältnis der beiden Seiten des Raumes 1:133031. Für die Verräumlichung wurden die Csound-Opcodes Ambisonic 3. Ordnung von Jan Jacob Hofmann verwendet.

 


© Séverine Ballon

Hans Tutschku, pressure – divided (2015, UA)

Seit 2012 hatte ich mehrfache Arbeitsphasen mit der französischen Cellistin Séverine Ballon, die mich mit ihrem sensiblen Klangsinn und ihrer enormen Experimentierfreude sofort begeisterte. pressure-divided ist das Ergebnis gemeinsamer Arbeitstreffen, in denen wir improvisierten, ein reiches Spektrum an Klängen aufnahmen und mit Beziehungen zwischen Instrumentalgeste und live-Elektronik experimentierten. Das Werk drückt wechselnde psychische Zustände aus, in denen man sich befindet, wenn man unter Druck und einer Vielzahl von Einflüssen trotzdem seinen eigenen Gedanken und Zielen nachgehen möchte. Der Wunsch, eine klar überschaubare Struktur wahrzunehmen, wird immer wieder durch kontrastierende Elemente unterbrochen. In der zweiten Hälfte des Werkes entwickelt sich dann ein fragiles Streben nach einfacheren musikalischen Phrasen in längeren zeitlichen Bögen. Der Titel bezieht sich auch auf die gegenüberliegenden Protagonisten Instrument und Elektronik, sowie die formale Struktur der Komposition.

 


© Leo Hofmann

Leo Hofmann, A. wie Albertine (2012)

In A. wie Albertine breitet sich die Gedankenwelt Marcel Prousts in einer Collage von Wörtern, Gesten und Klängen aus. Teilweise live gesprochen oder zugespielt, werden die Worte dabei von unzähligen kurzen Klang-Fragmenten und musikalischen Miniaturen umspielt, die ein Geflecht aus Assoziationen und Versatzstücken bilden und Eigenheiten von Prousts Schreiben, wie etwa die berüchtigt langen Einschübe oder den sezierenden Tonfall, aufgreifen. Der Hörraum steht in Kontrast zu den choreografierten Gesten des Performers, die über einen am Handgelenk angebrachten Bewegungs-Sensor wiederum die Live-Elektronik spielen. Wörter, Gesten und Klänge bilden medial ein ineinander verzahntes Labyrinth, in dem Albertine – die Entflohene – als große Abwesende auftritt.

 


© Hanns Holger Rutz

Hanns Holger Rutz, Machinae Coelestis (2013)

The piece was originally developed for the planetarium of the city of Judenburg, Austria, combining an electroacoustic sound with the choreographed movement of the star projector. What I find fascinating is the idea of the planetarium to picture the universe at the same time artificially and transparently (indistinguishable from “reality”). The mechanical projection technique is so sophisticated that the apparatus disappears in the background; it lays itself as a film on top of the foreground as soon as the stars start to move, and the dim reality of the projector now appears as an enormous cartographic memory. Most sounds originate from environmental recordings, some of which have been made during my stay in Judenburg, others which have been made in different places and times across the world. All sounds somehow for me are associated with the star-strewn sky. A subtle narrative is layered on top, suspended by two fragments of a dream diary. In the second half of the piece, a rhythmic element is introduced by a fast travel back in time which could be identified by the motion of the moon. The last section uses random displacements of increasing magnitude, introducing a staggering search across the universe. For the concert at AdK, the star projector is exchanged for a video projection, essentially creating a new version of the piece. Here I am using some computer techniques that I recently developed and that explore new ways of relating the visual and the auditory sense, more of an interference pattern than a rigid coupling.

 


© Marc Behrens

Marc Behrens, Sin and Temper (2015)

Sin and Temper (2015) ist ein Liveset mit Synthesizern und Tonbandgeräten. Synthesizerklänge (digital/analog gemischt) tauchen auf den Tonbändern auf, die von Hand gespielten Tonbänder sind wiederum als Klangschnipsel in den samplefähigen Synthesizern vorhanden.

Als Basis dient ein Stereo-Tonband mit vorproduzierten Teilen, dazu kommen lose Tonbandstücke, die teils im «inching»-Verfahren bespielt wurden (Tonband wird rhythmisch von Hand transportiert) und ebenso von Hand «gescratcht» wiedergegeben werden.

Es entstehen falsche Erinnerungen an elektroakustische Musik vergangener Jahrzehnte, aber auch an Club- und Underground-Musik (ebenfalls vergangener Jahrzehnte).

Sin and Temper besteht aus drei Hauptteilen, die in verschiedener Reihenfolge und in kleinere Abschnitte geteilt kombiniert werden: «Mystery Ambient» – kürze Blöcke mit stream of consciousness-Gesang zu auf Tonband vorliegenden Drone-Klängen, «Temper Party» – kurze Blöcke, Ableitungen einer Komposition für gescratchtes Tonband und Synthesizer.