Das Studio für Elektroakustische Musik (SEM) der Akademie der Künste der DDR
Die Ostberliner Akademie der Künste bot jungen diplomierten Komponisten in Fortführung alter preußischer Tradition die Möglichkeit der Weiterbildung bei selbst gewählten Mentoren, Mitgliedern der Sektion Musik. Dabei handelte es sich im Wesentlichen um eine Weiterführung der klassischen Hochschulausbildung.
Gleichwohl gab es in den 60er Jahren in der DDR keine Möglichkeit der Beschäftigung mit synthetischer Klangerzeugung. Als ich im Jahre 1978 in die Akademie der Künste Berlin (Ost) gewählt wurde, nahm ich deshalb die von Paul Dessau bereits begonnene Diskussion um die Einrichtung eines elektronischen Studios auf, ohne allerdings auf Zustimmung innerhalb der Akademie zu stoßen.
Politisch war die elektroakustische Musik Formalismus-Vorwürfen ausgesetzt und verdächtig, Einfallstor einer ‚Westkultur' zu sein („Wenn Köln das macht, dann machen WIR das nicht.“). Ein von Gerhard Steinke 1956 gegründetes Studio im Rundfunktechnischen-Zentrallabor in Berlin-Adlershof war bereits wenige Jahre später geschlossen worden, insgesamt also keine günstigen Voraussetzungen für eine Studiogründung. Es gelang immerhin ein kleines Budget zu bekommen, um die Konzertreihe „Kontakte“ gründen zu können, deren erstes Konzert 1980 stattfand. Von da an veranstaltete das Studio jährlich Gastkonzerte europäischer Studios, ebenso Seminare für junge Komponisten und Musikwissenschaftler. Beim Konzertsaal in der Luisenstraße, dem damaligen Standort der Ost-Akademie, befand sich auch ein kleines Ton-Studio mit zwei Bandmaschinen. Als es gelang noch eine dritte zu beschaffen, machte sich mein Meisterschüler Ralf Hoyer daran, ein erstes Stück für Kontrabass und Zuspielband zu realisieren. Demnach kann das Jahr 1980 als das eigentliche Gründungsjahr gelten. In den Folgejahren wurden über second hand, besonders aus Rundfunkstudios, weitere Geräte gekauft. Und, unter Verletzung des strengen Devisengesetztes der DDR, auch ein DX7 aus Westberlin herangeschafft. Außerdem gelang es, den Prototyp des Subharchords, ein im Rundfunktechnischen Zentrallabor entwickeltes Gerät zur Klangsynthese und Klangbearbeitung, zu erwerben.
Von da an wurden kontinuierlich Produktionen durchgeführt, besonders da auch ein Budget für Kompositionsaufträge erstritten worden war. Die ständigen Interventionen bei der Akademieleitung, die Erfolge der Konzertreihe „Kontakte“ und das Interesse der jungen Komponisten (die kulturpolitische Situation hatte sich auch hin zu einem Laissez-faire verändert) führten 1986 zur offiziellen Gründung des Studios mit guter personeller Ausstattung: ein Toningenieur, ein Programmierer, ein Musikwissenschaftler und ein Tontechniker fanden Anstellung.
Georg Katzer, 2014