SPIELWEISEN. Videogespräche mit Schauspielern
Ich war Hamlet. Ich stand an der Küste und redete mit der Brandung BLABLA, im Rücken die Ruinen von Europa.
(Heiner Müller: Hamletmaschine)
Der Moment, in dem sich einer vor die anderen stellt und behauptet, jemand zu sein, der er nicht ist, ist der Urmoment des Theaters. Ob die Behauptung in Form einer Maskerade, durch verändertes Verhalten oder Worte erfolgt, mit wie viel distanzierenden Brechungen auch immer, macht dabei keinen Unterschied. Wenn Theater gespielt wird, besteht die Wirklichkeit für die Dauer des Spiels darin, dass Menschen anderen Menschen dabei zusehen, wie diese Wirklichkeit reflektieren. Eine zweite Ebene wird eingezogen, auf der sich zu den konkreten auch vorgestellte Körper gesellen.
Allerdings hat sich die Theaterpraxis in den letzten Jahren stark verändert. Der Einfluss der Performancekunst ist im Schauspiel deutlich spürbar, ebenso das Bedürfnis, möglichst viel Wirklichkeit möglichst ungefiltert auf die Bühne zu bringen. Der Theaterraum soll zunehmend ein Raum unmittelbarer Erfahrung sein, nicht selten wird die Bühne gleich ganz verlassen und die Spieler nehmen ihr Publikum mit in den Stadtraum, wo Zuschauer und Künstler gemeinsam agieren.
Was bedeuten diese Veränderungen für den Ensemble-Schauspieler, dessen Kunst in den neuen Formen ebenso wie im klassischen Schauspiel, das es ja weiterhin gibt, nach wie vor das deutschsprachige Theater prägt? Welche Spielweisen haben sich neben ihm etabliert?
In dem Rechercheprojekt "Spielweisen" setzen sich in zehn Videogesprächen herausragende Schauspieler der Gegenwart mit den für sie jeweils ganz subjektiv wichtigsten Fragen an ihre Kunst auseinander: mit dem Moment der Verwandlung, dem Spiel mit den Zuschauern oder den Grenzen des Darstellbaren.
Die zehn halbstündigen Beiträge wurden von 17. September bis 14. Dezember 2014 im Rahmen von „Schwindel der Wirklichkeit“ am Hanseatenweg 10 in Berlin-Tiergarten präsentiert gezeigt und sind auch auf DVD erschienen.